Film des Monats Juli: »Memoiren einer Schnecke«
Die enthusiastische Schneckensammlerin Grace Pudel und ihr Zwillingsbruder Gilbert wachsen nach dem Tod der Mutter zusammen bei ihrem querschnittsgelähmten, alkoholkranken Vater auf. Als auch dieser überraschend stirbt, werden die Geschwister getrennt voneinander in verschiedene Pflegefamilien gesteckt. Auf unterschiedliche Arten bekommen sie hier die Grausamkeit des Lebens zu spüren und wünschen sich nichts sehnlicher, als wieder beieinander zu sein. Während Gilbert zu einer fanatisch-religiösen Familie irgendwo in Australien kommt, wächst Grace in Canberra bei einem kinderlosen Paar auf, das unfähig ist, eine echte Beziehung zu ihr aufzubauen. Als Folge kapselt sich Grace immer mehr von der Außenwelt ab.
Entstanden ist der Film in mühevoller Kleinstarbeit per Knetanimation, eine Technik, bei der viele zunächst an Werke wie »Wallace & Gromit« oder »Shaun das Schaf« denken. Adam Elliot aber kreiert damit einen einzigartigen Stil, der das Niedliche mit dem Skurrilen und Hässlichen verbindet und durch seine atemberaubende Optik besticht. Darüber hinaus beweist Elliot ein Herz für schräge Figuren und Außenseiter, die sich schwertun, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Krankheit, Tod, Einsamkeit, Depression, Vernachlässigung, religiöser Fanatismus: Der Film mutet dem Publikum jede Menge harter Themen zu. Die Abstraktion, die die Animationstechnik herstellt, sorgt jedoch dafür, dass die Themen erträglicher werden, ohne dass sie ihre Relevanz und emotionale Wucht verlieren. Der Film fordert dazu auf, auf die vielen Dinge zu schauen, die in unserer Gesellschaft schieflaufen, und findet zugleich immer wieder Momente der Wärme und der Mitmenschlichkeit. Dabei entfaltet sich eine kongeniale Mischung aus herzzerreißender Tragik und einem bitterbösen, aber auch zum Schreien komischen Humor. So überzeugt »Memoiren einer Schnecke« als modernes Märchen – mit allem Schrecken, den diese haben können, aber auch mit den guten Seiten, die der Film den Figuren und dem Publikum am Ende doch gönnt.
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