Kritik zu Die Bonnards – malen und lieben
Martin Provost (»Séraphine«) schildert in seinem neuen Künstlerdrama die Beziehung zwischen dem Maler Pierre Bonnard und seiner Frau Marthe, Inspiration und lebenslanges Leitmotiv seines Werks
»Ihr Mann hat Sie zu einem Mythos gemacht«, sagt eine Bewunderin zu Marthe. Ist dieser Ruhm das Höchste, was Gefährtinnen berühmter Maler erhoffen dürfen? Kaum einer hat seine Muse so oft gemalt wie der postimpressionistische Künstler Pierre Bonnard, der Marthe in circa einem Drittel seiner 2000 Gemälde verewigte. Auch Regisseur Martin Provost widmet den Löwenanteil der zweistündigen Filmdauer jener Frau, die bereits ihren Zeitgenossen Rätsel aufgab. Nicht nur, weil der Großbürgersohn Bonnard ihr, einer Seidenblumen-Herstellerin, die er 1893 von der Straße weg als Modell in sein Atelier holte, bis zu ihrem Tod 1942 die Treue hielt – mehr oder weniger. Man warf ihr vor, extrem eifersüchtig, eine verrückte Lügnerin zu sein und ihn im ländlichen Refugium »Ma Roulotte« gefangen zu halten. Forscher haben in den letzten Jahren mit neuen Erkenntnissen Marthes Ruf verbessert. Provost, mit dem Künstlerinnenporträt »Séraphine« (2008) bekannt geworden, skizziert erneut ein spannendes Frauenporträt – und nebenbei eine zwar spekulative, aber stimmungsvolle Liebesgeschichte. Und er macht die mysteriöse Marthe zum Sinnbild für die Konflikte, die Frauen an der Seite von Künstlern durchleben.
Es fällt auf, dass Bonnards legendäre Kollegen – etwa Monet, der von Giverny mit dem Boot auf der Seine zum verwunschenen Landhaus der Bonnards rudert – nur sporadisch auftauchen. Auch zeitgeschichtliche Anspielungen fehlen fast gänzlich. Mehr Zeit bekommen, als Kontrast zu Marthes Charakter, die Kunstsammlerin Misia Sert und Bonnards Geliebte Renée Monchaty. Die Rivalinnen sonnen sich liebend gern in Bonnards »männlichem Blick«; Marthe dagegen, in unzähligen intimen Momenten verewigt, ist von den Blicken anderer Männer auf ihre Akte peinlich berührt. Sie scheut die Begegnungen mit der Pariser Bohème und verkriecht sich in ihrem Garten Eden. Misia, im Film recht ungnädig als überspannte Narzisstin dargestellt, zehrt von der Bewunderung der Künstler, die sie mit dem Geld ihrer Ehemänner aushält. Das Girlie Renée wiederum drängt Bonnard zur Heirat. Aber auch Marthe, die sozial unterlegene, launisch-mütterliche Gefährtin, gibt und nimmt.
Gerade in Bezug auf die Konflikte von Frauen, die zugunsten eines Mannes ihre Talente und Wünsche hintanstellen, wirkt manches zu thesenhaft-plump. Doch die herbe Cécile de France ist, obwohl der echten Marthe unähnlich, wie so oft ein Hingucker. Man nimmt ihr Marthes Verschrobenheiten, aber auch ihre Verletzlichkeit und Hingabe ab. Und man nimmt Bonnard – Vincent Macaigne verkörpert ihn als leicht autistischen Typ – seine Faszination für diese Frau ab, die nackt im Fluss schwimmt.
Die Sinnlichkeit des Augenblicks, das Spiel von Licht und Schatten, die Spiegelungen von Himmel und Wasser: Erfreulich oft gelingt es diesem Film, die Entstehung von Kunst erfahrbar zu machen. Wenn Bonnard, der »Maler des Glücks«, Marthe leitmotivisch in leuchtenden Farben in der Badewanne porträtiert, ist das, auf der bildnerischen wie filmischen Leinwand, berückend.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns