Disney+: »Alien: Earth«

»Alien: Earth« (Staffel 1, 2025). © Patrick Brown/FX

© Patrick Brown/FX

Alien-Streichelzoo

Im Weltraum hört dich niemand schreien. Dieser ikonisch gewordene Slogan bewarb 1979 einen Film, der das Horrorgenre erneuerte. Mit dem Schreien ist das aber so eine Sache: Sigourney Weaver nämlich trat als eine Heldin auf, die gerade nicht mehr als Scream-Queen agierte. Mehr noch: Weavers toughe Ellen Ripley hat eine beunruhigende Beziehung zu diesem »Ding« aus einer anderen Welt, dessen phallische Bedeutung dank H.R. Gigers grellem Design kaum mehr übersehen werden konnte: Was Sie schon immer über Sex (und Fortpflanzung) wissen wollten – aber bitte nicht so genau –, dieses Motiv variierte das »Alien«-Franchise über vier Jahrzehnte in sechs Fortsetzungen.

Dass die Serienadaption von Disney+ kolportierte 250 Millionen Dollar verschlang, zeigt sich an den aufwendigen Sets und der gestalterischen Akribie, mit der die Originalschauplätze nachgebildet und auf zeitgemäße Weise variiert wurden. Nach seiner Serienversion des Coen-Klassikers »Fargo« bemüht Noah Hawley sich nun um eine Adaption des »Alien«-Stoffs an das vom filmischen Format stark abweichende Prinzip des horizontalen Erzählens. Das Prequel spielt zwei Jahre vor dem ersten »Alien«-Film, dessen zentrales Plotelement aufgegriffen wird. Erneut soll ein Raumschiff geheimnisvolle außerirdische Wesen zur Erde transportieren, die dabei an Bord ein Blutbad anrichten.

Da wie im originalen »Alien« die Fracht wichtiger ist als die Besatzung, lässt der Sicherheitschef das Schiff mit den unkaputtbaren Wesen auf die Erde stürzen – mitten in ein Hochhaus. Gefräßige Aliens überleben den Crash und mischen erst einmal eine dekadente Rokoko-Party auf. Ja, »Alien: Earth« setzt auch surreal-humorvolle Akzente. Allerdings werden die Nachteile des Serienformats rasch offenbar.

Durch abrupte Schauplatzwechsel zwischen den Episoden wird die klaustrophobische Enge des Originals preisgegeben. Statt einer linear sich steigernden Horrorstory skizziert der figurenreiche Mehrteiler die Umrisse einer futuristischen Welt, die von fünf Megakonzernen regiert wird. Einer von ihnen, die Prodigy Corporation, forscht an einem transhumanistischen Konzept. Das Bewusstsein sterbenskranker Kinder, darunter das der etwa 12-jährigen Wendy, wird in synthetische Körper (von Erwachsenen) mit schier unbeschränkter physischer Leistungsfähigkeit transferiert.

Das in Ridley Scotts Original von 1979 bereits angedeutete Motiv dieser künstlich geschaffenen (Über-)Menschen wird in der Serienversion zugespitzt. Obwohl in diesen synthetischen Körpern menschliche Seelen wohnen, bezeichnet ein zynischer Ingenieur sie als »Einheiten«, die »Eigentum der Prodigy Corp« sind. Den abgründigen Gedanken, dass hier der potenziellen Unsterblichkeit ein Preisschild angehängt wird, hat der Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem schon 1955 vorweggenommen. In »Alien: Earth« wird das beunruhigende Motiv in Verbindung mit dem KI-Thema jedoch interessant variiert.

Als Wendy die Fähigkeit ausbildet, mit den Aliens zu kommunizieren – und um Verständnis für deren Motive wirbt –, kippt die Serie ins Moralisieren. Spätestens in dem Moment, in dem sie eines der Aliens zärtlich berührt, entsteht die Assoziation eines Alien-Streichelzoos. Als Nachfolgerin der charismatischen Sigourney Weaver kann Sidney Chandler als elfenhafte Wendy kaum überzeugen. Interessante Akzente setzt vor allem Timothy Olyphant als Android, der, an Rutger Hauer in »Blade Runner« erinnernd, das Geheimnis eines nichtmenschlichen Wesens aufblitzen lässt. Dagegen mutet Samuel Blenkin als CEO der Prodigy Corporation wie die comicartig überzeichnete Karikatur eines Tech-Nerds an, der seine vermeintliche Genialität durch penetrantes Zur-Schau-Stellen von Infantilität zelebriert. Indem die Serienversion Horror- und Science-Fiction-Elemente mit philosophischen Themen verknüpft, gibt sie dem Franchise eine interessante neue Ausrichtung. Leider wird dabei das Kernelement der »Alien«-Saga – die verstörenden Bezüge zum Sex und die körperlichen, allzu körperlichen Details der Fortpflanzung – verwässert; die Aliens geraten beinahe zur Nebensache. Eine Serie mit lichten Momenten und Schwächen.

OV-Trailer

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