Kritik zu Diva Futura

© Busch Media Group

2024
Original-Titel: 
Diva Futura
Filmstart in Deutschland: 
26.06.2025
L: 
125 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Plötzlich wieder im Fokus: die Geschichte des italienischen Erotikgeschäfts. In Giulia Louise Steigerwalts biografischem Spielfilm geht es um den Gründer einer Modelagentur, die Stars wie »La Cicciolina« und Moana Pozzi bekannt machte

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»Wir sind amoralisch, aber nicht unmoralisch«, sagt Riccardo Schicchi. Der Mann, gespielt von Pietro Castellitto, ist ein Ausbund an guter Laune, Optimismus und sex positivity. Schicchi, auf dessen Lebensgeschichte »Diva Futura«, der zweite Spielfilm von Giulia Louise Steigerwalt, beruht, war in den Achtzigern mit einer Radiosendung bekannt geworden, die er zusammen mit Ilona Staller, bekannter als La Cicciolina, moderierte. Die beiden erklärten sich zu Botschaftern der freien Liebe, provozierten durch halb pornografische, halb politische öffentliche Auftritte und gründeten die Castingagentur »Diva Futura«. Auch nach der Trennung von Staller, die mit Jeff Koons zum internationalen Kunstprojekt avancierte, blieb Schicchi im Geschäft; er führte Erotikclubs, in denen seine Models auftraten, vermarktete Fotos und drehte Pornofilme für den boomenden Videomarkt. 

»Diva Futura« zeigt schon in den ersten, hübsch ausgestatteten und von zeitgenössischen Popsongs dynamisierten Sequenzen einen Hang zu nostalgisierender Verklärung. Schicchi wird präsentiert als zarter, quecksilbriger Exzentriker, der sich schon als Kind berufen fühlte, schöne Frauen zu lieben, und der seine Unternehmen wie eine Familie führt, chaotisch, aber fürsorglich. Aidstests sind an den Sets eine Selbstverständlichkeit, und mittags versammeln sich alle in verschiedenen Stadien des An- oder Ausgezogenseins zur Pasta. 

Kapitelweise, begleitet vom Voiceover seiner langjährigen Sekretärin Debora Attanasio (Barbara Ronchi), entfaltet sich nicht nur die Geschichte von Schicchi, sondern auch die seiner angestellten oder angeheirateten Frauen: von Moana Pozzi (Denise Capezza), damals Italiens beliebteste Erotikdarstellerin, die versuchte, mit einer eigenen Partei in die Politik einzusteigen und mit nur 32 Jahren an Leberkrebs starb, und von Eva Henger (Tesa Litvan), die strippte, modelte,  sang und schließlich, um die maroden Finanzen ihres Riccardo zu sanieren, ein paar Pornos drehte, deren Material gegen ihren Willen seriell ausgebeutet wurde – das Business war illegal, Verträge galten nichts. 

»Diva Futura« hatte 2024 auf dem Festival von Venedig Premiere. Mit seinem Deutschlandstart surft der Film nun in der Heckwelle der Netflix-Miniserie »Supersex«, die auf der Biografie des italienischen Pornostars Rocco Siffredi basiert. Vielleicht artikuliert sich in diesen historisch allemal interessanten Biopics ein Ungenügen an einer Kultur, die zwischen totaler Entgrenzung und neuer Keuschheit sexualpolitisch in der Klemme steckt: Der Blick richtet sich mit einer gewissen Wehmut auf die Ära vor der digitalen Revolution mit ihren Amateurfilmen, in denen praktisch nichts mehr unvorstellbar ist. Inwiefern Unternehmen wie Diva Futura die Misogynie des Hardcorepornos neuerer Prägung vorbereitet haben, ist eine Frage, die Steigerwalts Film zwar stellt, aber nicht beantwortet: Die Inszenierung ist fokussiert auf die eher privaten Beziehungen der Figuren, und sie bleibt dezent. Bis in den Schluss hinein, der die Schicchi-Family zu einer charmanten, hippiesken Strand­party versammelt.

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