Kritik zu Archiv der Zukunft
Dokumentarfilm über das Naturhistorische Museum in Wien, dessen Bestand mehr als 30 Millionen Objekte umfasst. Der Film gibt einzigartige Einblicke in Wissenschaftsgeschichte und Grundlagenforschung
»Tu felix Austria!« wird vermutlich mancher filmaffine Museumsmitarbeiter bei diesem Film murmeln, angesichts der Wertschätzung, die die Museumsarbeit im österreichischen Kino genießt. 2012 hatte Jem Cohen mit »Museum Hours« einen semidokumentarischen Spielfilm inszeniert, in dem das Kunsthistorische Museum in Wien eine große Rolle spielte, zwei Jahre später, in »Das große Museum«, blickte Johannes Holzhausen am selben Ort hinter das, was den Museumsbesuchern verborgen bleibt, zeigte die Mitarbeiter beim Archivieren, Konservieren, Restaurieren und der Ausstellungspräsentation. Jetzt hat sich Joerg Burger, der bei Holzhausens Film für die Kamera verantwortlich zeichnete, des benachbarten Wiener Naturhistorischen Museums (NHM) angenommen.
Schon der Filmtitel »Archiv der Zukunft« verrät etwas über die Eigenheiten dieser Institution, bei der die archivarische Tätigkeit zugleich auf die Zukunft gerichtet ist. In einer Sequenz erklärt ein Mitarbeiter, wie die Untersuchung von Mikrofossilien, die durch Bohrungen aus 4300 Meter Tiefe geholt werden (was einem Alter von 18 Millionen Jahren entspricht), eine Rekonstruktion von Klima und Klimageschichte ermöglicht, damalige Sauerstoffveränderungen mit den heutigen Veränderungen der Meere in Beziehung gesetzt werden können. Eindrucksvoll auch die Arbeit an einem Saurierskelett, die sich wie ein roter Faden durch den Film zieht. Der betreffende Saurier wurde früher als Vierbeiner gezeigt, dem jetzigen Forschungsstand nach bewegte er sich nur auf den Hinterbeinen und benutzte die verkümmerten vorderen Extremitäten für anderes.
Der Blick des Films ist in die Zukunft gerichtet. Problematisches aus der Vergangenheit wie die Vermessung menschlicher Schädel von jüdischen Mitbürgern, die danach ins KZ abtransportiert wurden, ebenso wie geraubte Artefakte, die erst im letzten Jahrzehnt nach entsprechenden Anfragen zurückgegeben wurden, wirkt hier kurz vor Ende in zwei Statements eher angefügt, schwingt aber auch schon vorher mit, wenn (wohl anlässlich der Übernahme einer privaten Sammlung) aus den Schriftstücken hervorgeht, der Sammler habe auch fertige Schädel gekauft, oder wenn anlässlich der Restaurierung eines präparierten Elefanten ein Mitarbeiter erklärt, den habe sein Vorgänger in den siebziger Jahren bei einer Safari geschossen.
Gelegentlich verlässt die Kamera das Museumsgebäude, bei einer Exkursion wird eine Schlange untersucht (das einzige lebende Tier, das im Film vorkommt), bei einem »Brandexperiment« wird ein totes Schwein auf einem Holzstoß verbrannt, um Rückschlüsse auf verbrannte Fundstücke ziehen zu können. Die kindliche Aufgeregtheit, die dabei in den Ansagen der Mitarbeiterinnen zum Ausdruck kommt (»Schwein brennt!«), lässt darauf schließen, dass der tägliche Umgang mit toten Tieren seine Spuren hinterlässt. Der Film greift das auf, wenn er mit Nahaufnahmen von präparierten Tierköpfen endet, die den Zuschauer direkt anzusehen scheinen.
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