10/2025

In diesem Heft

Tipp

Die Täter tragen Uniform: Die belgische Serie »1985« erzählt halbdokumentarisch von behördlich sanktioniertem Terror.
Putz langsam: Daisy Ridley muss als John-McClane-Verschnitt Geiseln aus einem Hotel vor Ökoterroristen retten.
Spike Lees freie Neuverfilmung »Highest 2 Lowest« nach einem Kurosawa-Klassiker verlegt die Geschichte eines erpressten Unternehmers nach New York, wirkt in ihrer Angestrengtheit aber forciert und altbacken.
In der Amazon-Serie »Das Gift der Seele« (The Girlfriend) wird ein archaischer Mutter-Schwiegertochter-Konflikt mit klassenkämpferischen Aspekten angereichert – und mit Ungeniertheit toxische Weiblichkeit zur Selbstbehauptung umgedeutet.
Pokern für den Lebenstraum: In »High Stakes« schlägt eine junge Astrophysikerin ungewöhnliche Wege ein, um die erste Frau im All mit Kopftuch zu werden.
Die dunkle Seite des Bieres: »House of Guinness« erzählt von der Familiendynastie hinter der berühmten Brauerei.
»Das Verschwinden des Josef Mengele« ist eine filmische Zumutung – darin liegt seine verstörende Stärke. Über zwei Stunden zwingt uns der Film, dem Mann nahe zu kommen, der als »Todesengel von Auschwitz« zu einer Chiffre des Grauens geworden ist.
Am 28.10. spricht Jens Balkenborg im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums mit Ali Samadi Ahadi über »Sieben Tage«.
Ein Mann sieht hin: Cillian Murphy als gewissensgeplagter Kohlenhändler in »Kleine Dinge wie diese«.
Der von Mark Schlichter gemeinsam mit Drehbuchautorin Laila Stieler entwickelte Film »Im Rausch« erzählt mit besonderer Dramaturgie und starkem Schauspiel von der Macht der Alkoholkrankheit.
»Swiped« erzählt konventionell die Aufstiegsgeschichte der Dating-App-Gründerin Whitney Wolfe Herd (Tinder, Bumble) und liefert desillusionierende Einblicke in die frauenverachtenden Mechanismen der Start-up-Branche.
»Call My Agent Berlin« ist das deutsche Remake der französischen Erfolgsserie – ähnlich zynisch, selbstironisch und eine fast nostalgische Liebeserklärung an das Film-Business.

Thema

Er hat für eine bessere Welt gearbeitet: als Schauspieler, als Regisseur, als Mensch. Mit Robert Redford hat das Kino einen Star verloren, der auf einzigartige Weise glaubwürdig war, vor und hinter der Kamera.

Meldung

Kommendes Jahr ist es 30 Jahre her, dass Paul Thomas Anderson mit »Last Exit Reno« seinen ersten Film in die Kinos brachte. Seither war er als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent von Filmen wie »Boogie Nights«, »Magnolia«, »There Will Be Blood«, »Inherent Vice – Natürliche Mängel«, »Der seidene Faden« oder »Licorice Pizza« elf Mal für den Oscar nominiert. Gewonnen hat Anderson nie, doch das könnte sich in einigen Monaten ändern. Denn sein neuer Film »One Battle After Another« (ab 25. September im Kino) wird bereits als Meisterwerk gefeiert.
Friederike Becht, geboren 1989 in Bad Berg­zabern, hat von 2004 bis 2008 Schauspiel an der Universität der Künste Berlin studiert. Erste Kinorollen hatte sie in »Der Vorleser«, »Westwind« und »Hannah Arendt«. Für ihre Rolle als Zielfahnderin in der Serie »Schneller als die Angst« erhielt sie den Deutschen Fernsehpreis. Diesen Monat ist sie im Fernsehfilm »Im Rausch« und ab 23.10. in »Das Verschwinden des Josef Mengele« zu sehen.

Filmkritik

Inspiriert von realen Erfahrungen als Sohn indisch-tamilischer Einwanderer und fiktiven Engelsgeschichten bekannter Filme verbindet der amerikanische Komiker und Schauspieler Aziz Ansari bei seinem Regiedebüt in Zusammenarbeit mit einem tollen Cast beißende Gesellschaftskritik mit warmherziger Situationskomik.
Einzigartiger Einblick in die Mühen und Freuden einer großen Zirkusfamilie. Held dieses Dokumentarfilms ist der 11-jährige Santino, der uns gemeinsam mit seinem Uropa dem Zirkusdirektor, in die fantastische Welt des Circus Arena eintauchen lässt.
Die Welt einer Philosophieprofessorin gerät ins Wanken, als eine Studentin Übergriffsvorwüfe gegen einen ihrer Professorenkollegen und Freund erhebt. Luca Guadagnino dekliniert in seinem dialogintensiven und formbewussten Thriller die Ambivalenzen eines MeToo-Falls durch und unterläuft dabei Erwartungen.
In ihrem ersten langen Dokumentarfilm verarbeitet Olga Kosanović ihre Erfahrungen mit dem Einbürgerungsverfahren in Österreich zu einem auch für Nicht-Ösis lehrreichen, bitter-humorigen und höchst unterhaltsamen Film.
Im tschechisch-polnischen Originaltitel fehlt das K. Die Hinzufügung dürfte jedoch im Sinne Agnieszka Hollands sein, die Kafka durchaus mit seinem literarischen Alter Ego Josef K. kurzschließt. Ihre Biografie ist ein Wechselspiel aus brav inszeniertem Pflichtprogramm und gelegentlichen Höhenflügen inszenatorischer Fantasie.
In ihrem ersten Langfilm erzählt die Wiener Filmemacherin, Autorin und Punkmusikerin Marie Luise Lehner unaufgeregt wie einfühlsam von einer 12-Jährigen, die an ihrer »poshen« Schule mit Scham für ihre soziale Herkunft und die gehörlose Mutter konfrontiert wird. Ein berührendes Plädoyer für Offenheit und das Überwinden von Grenzen.
Kathryn Bigelow zeigt aus verschiedenen Perspektiven, wie Verantwortliche des US-Militärs und Politbetriebs damit umzugehen versuchen, dass sich ein atomarer Sprengkörper dem amerikanischen Festland nähert. Nie zu reißerisch und immer mit genug Blick auf die menschlichen Emotionen hinter der politischen Professionalität. Ein handwerklich wie schauspielerisch erstklassiger Thriller, der in Sachen Spannung dieses Jahr seinesgleichen sucht.
Moderne Adaption des Jugendbuchklassikers mit erstklassigem Cast, mal märchenhaft-poetisch, mal grausam-gegenwärtig, geschickt verknüpft, aber nicht immer überzeugend.
Starkes Spielfilmdebüt, das sich des schweren Themas adoleszente Depression mit leichter Hand annimmt. Tonale Wechsel und stilistische Extravaganzen bergen Risiken, die die mutige Regie in Chancen wandelt.
Im Neuengland der siebziger Jahre plant ein unbedarfter Familienvater den vermeintlich perfekten Kunstraub und sieht sich mit unangenehmen Konsequenzen konfrontiert. Ebenso stilvolle wie kluge Mischung aus entschleunigtem Krimi und Gesellschaftskritik.
Radu Judes neuer Film ist satirisch-gallige Gesellschaftskritik im Dauerstreitmodus: anstrengend, vulgär und immer wieder erhellend.
Eine zugleich einfache und tiefgründige Geschichte von einem Jungen, der sich seinen Reim machen muss, auf die Widersprüche im Deutschland vor und nach der Kapitulation. Und eine Liebeserklärung von Fatih Akin an seinen Freund, Mentor, Co-Autor Hark Bohm, um dessen Kindheit es hier geht.
Das als Found-Footage-Film getarnte Kammerspiel über die Zusammenführung einer dysfunktionalen Patchworkfamilie spielt mit Horrorelementen, punktet mit einem spielfreudigen Ensemble, dem Charme einer Massenkarambolage und der Ahnung, was Familie im besten Fall sein kann.
Die introvertierte Buchhändlerin Agathe ist eingefleischter Austen-Fan und begegnet bei einem Schreibaufenthalt in England dem Ur-Ur-Ur-Ur-Neffen der berühmten Autorin: eine trotz Drehbuchschwächen feinsinnige Komödie über Liebe und Literatur.
Die schwarze Komödie über das Jenseits als deutsche Verwaltungsbürokratie hat starke Momente, überzeugt aber nicht durchweg.
Ai Weiweis erste Operninszenierung scheint ein glorioser Erfolg gewesen zu sein. Leider erfährt man in Maxim Dereviankos hagiographischem Dokumentarfilm nichts über deren künstlerische Güte.
In einem genreübergreifenden Rahmen erzählt Amélie Bonnins Film von der Wiederbegegnung einer jungen Frau mit der französischen Provinz und ihrer Vergangenheit. Die Filmsprache erscheint auf kunstvolle Weise kunstlos, die Musik übernimmt eine zentrale Rolle.
Der aktivistische Dokumentarfilm versucht, mit Gläubigen, Religionskritikerinnen und theologischen Reformerinnen möglichst viele Stimmen zu Wort kommen zu lassen, und gibt ein nachahmenswertes Beispiel an empathischer und solidarischer Streitkultur.
In seinem bislang persönlichsten Film begleitet Peter Mettler den Abschied von und das Sterben seiner Eltern. Dafür durchstreift er mit der Kamera die Natur, denkt in kunstvollen Einstellungen über den Tod nach und preist gleichzeitig das Leben, ohne in Kitsch abzugleiten.
Ein Liebesfilm für Kinder ist im Kino selten. Die Gefühle des zwölfjährigen Karl werden tatsächlich im Bild festgehalten und nicht zerredet. Das ist eine große Leistung.
Inspiriert von einem wahren Gerichtsfall erzählt Christina Tournatzés von Missbrauch und Gerechtigkeit. Elise Krieps in ihrer ersten großen Rolle ist sensationell.
Guillermo del Toro revolutioniert die klassische schauerromantische Geschichte nicht, fügt ihr aber hübsche neue Noten hinzu – vor allem in Gestalt von Jacob Elordi als Kreatur mit Esprit und Sex Appeal.
Wie es dem Massenmörder Josef Mengele mehr als zwei Jahrzehnte gelang, in Südamerika unterzutauchen. Ein mutiger, kalt inszenierter Film ohne jede Sympathie für den Täter, den August Diehl mit Bravour spielt.
In seinem filmischen Brief an seinen am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführten Schauspieler David Cunio verbindet Regisseur Tom Shoval die Bilder des »Davor« mit den Leerstellen des »Danach« zu einem eindringlichen Plädoyer gegen das Vergessen.
Ein kluger, herzenswarmer und -wärmender Film, der mit scheinbar leichter Hand von schweren Dingen erzählt.
Benny Safdies Biopic über den MMA-Pionier Mark Kerr besticht durch den respektvollen Blick auf einen martialischen Sport, vor allem aber durch Dwayne Johnsons herausragende Leistung in der Titelrolle.
Angesiedelt im Korsika der 1990er-Jahre erzählt Julien Colonna in seinem Spielfilmdebüt ungeschönt und voller Melancholie von Clankriminalität und Rache als Familienerbe – mit einer umwerfenden Protagonistin.
Ein Animationsfilm, der seine Ausgangsidee bei »Frankenstein« nimmt, allerdings kaum gruselig ist, sondern komödiantische Aspekte ins Zentrum rückt. Das nimmt der Botschaft vom Akzeptieren des Andersartigen einiges von ihrer Kraft.
Das französische Regie-Duo und Ehepaar Hélène Cattet und Bruno Forzani arbeitet mit ihrem neuesten Film weiter an einem Kino der reinen Schaulust – diesmal im Gewand einer Eurospy-Hommage – und beweisen Qualitäten, die ihnen bisher eher abgesprochen wurden.
Die Geschichte über bewaffneten Widerstand, rechtsextreme Hintermänner und ein Vater-Tochter-Gespann besticht mit außergewöhnlichen Action-Sequenzen und bemerkenswert viel Humor, einem exzellenten Ensemble rund um Leonardo DiCaprio in Bestform sowie famoser Kameraarbeit samt Ausnahme-Score. Vor allem aber ist der Film ein Plädoyer für die Liebe.
Nach dem Kontakt mit einer hochgiftigen Flüssigkeit am Arbeitsplatz mutiert eine Reinigungskraft zu einem Monster, das zwischen der Rache an seinen Peinigern und seinem Status als Volksheld einen Weg finden muss. Der Reboot der populärsten Figur aus dem filmischen Universum der Firma Troma, die in den achtziger Jahren mit ihrer Mischung aus Humor und Splatter populär wurde, bringt das Schräge mit der Ernsthaftigkeit nicht immer zusammen, bietet aber kurzweilige Unterhaltung für Genrefans.
Die formal stringente Umsetzung eines frühen Stephen King-Romans macht die Schwächen der Vorlage sichtbar.
Im New York des Jahres 1998 wird ein Bartender zur Zielscheibe verschiedener Gangster, die hinter einem ominösen Schlüssel her sind. Darren Aronofsky verfilmt Charlie Hustons Pulp-Roman als comichafte Gangsterfarce und zeichnet dabei ein Porträt seiner Heimatstadt, die es so nicht mehr gibt. Glänzend gespielt, clever inszeniert und vielschichtiger als der erste Blick vermuten lässt.

Film

Ari