Interview: Philipp Stölzl über seinen Film »Ich war noch niemals in New York«

»Ein voller Kinosaal hat einfach eine andere Schönheit und Energie«
Philipp Stölzl (hinten) am Set von »Ich war noch niemals in New York« (2019). © Universal Pictures

Philipp Stölzl (hinten) am Set von »Ich war noch niemals in New York« (2019). © Universal Pictures

Philipp Stölzl, 1967 in München geboren, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Bühnenbildner und sammelte seine ersten Regieerfahrungen am Theater, bevor er mit »Baby« 2002 seinen ersten Langfilm ins Kino brachte. Mit »Nordwand« 2008 und vor allem dem Publikumserfolg »Goethe!« 2010 – über 740 000 Zuschauer – etablierte sich Stölzl als Regisseur mit gutem Gespür für populäre Filme und Stoffe. Was er mit »Der Medicus« 2013 und »Winnetou« 2015 erneut bewies

»Der Medicus«, »Winnetou«, jetzt ein Film mit Udo-Jürgens-Hits – viele ihrer Kollegen finden diese extrem populäre Stoffauswahl wahrscheinlich eher uncool.

Für mich ist das bei jedem Stoff eine Liebesgeschichte für sich, ich denke erst mal wenig drüber nach, ob es wahnsinnig populär ist, sondern nur ob sich da meine Fantasie als Regisseur entzündet. Was man aber bei mir als roten Faden finden kann, ist das Interesse für erfundene Welten. Ich inszeniere ja regelmäßig Opern und kreiere da auch meine eigenen Bühnenbilder, es liegt mir, diese Welten erschaffen, sei es einen Ozeanliner im Stil der Fifties, eine Mittelalterwelt, Goethes Studentenzeit, oder eine Art Karl-May-Amerika-Fantasie.

Neben einem durchaus realistischen Anspruch gibt es in ihren Filmen immer auch etwas Märchenhaftes: Was bedeutet Ihnen das Kino?

Was mich am Kino begeistert, ist das Erfinden und Fabulieren, all das, was so nur die Leinwand kann, mit ihrer Größe, ihrer Bildkraft, mit dem Ton und der Musik. Dieses Fabulieren macht die Filme auch märchenhaft, das kann ein sehr böses Märchen sein wie bei »Nordwand«, mit dieser düsteren Legende vom Oger, diesem Dämon, der in der Wand lebt. Auch beim »Medicus« ist schon die Vorlage wahnwitzig zusammenfabuliert, über diesen jungen Engländer, der in den Orient reist, um sich das Licht des Wissens zu erstreiten. Und »Winnetou« ist ja schon in den Büchern von Karl May sehr märchenhaft, dieser Erzähler, der in Sachsen hockt und sich sein Amerika erfindet und einen so warmherzigen Blick auf die Ureinwohner wirft, wie es zu der Zeit kein Amerikaner getan hätte. Wenn so eine Kunstwelt liebevoll erschaffen ist, dann ist das ein Reichtum, bei dem es sich lohnt, eine Kinokarte zu lösen.

Ihr Production Designer muss bei »Ich war noch niemals in New York« ja jubiliert haben...

Ja, der Designer Matthias Müsse und ich haben uns frühzeitig für eine lustvolle Hommage an die amerikanischen Musicals der vierziger und fünfziger Jahre entschieden. Wenn man eine Welt erschafft, in der die Leute ständig anfangen zu singen, ist das ja ohnehin schon eine überhöhte Realität, eine Kunstwelt. Das hat von vornherein Leichtigkeit und Ironie, und es macht natürlich Spaß, das noch ein bisschen weiterzutreiben.

Wie viel Realismus kann da noch durchsickern?

Auch wenn sich die Figuren durch völlig stilisierte Welten bewegen, muss man mit ihnen mitgehen können. Selbst in einem komischen, musikalischen Genre muss man die Figuren in ihren Nöten, ihren Gefühlen, in den Themen, die sie miteinander verhandeln, und ihren Liebesgeschichten völlig glaubhaft machen.

Wie kommt es, dass Sie immer recht unerschrocken Publikumsnähe gesucht haben, die in Deutschland ja traditionell eher verpönt ist?

Mit dieser Unterscheidung zwischen E und U habe ich mir immer schwergetan, Kino habe ich immer als Populärmedium verstanden. Man kann doch breitenwirksam sein, ohne belanglos oder oberflächlich sein zu müssen. Ich habe Kino immer eher angelsächsisch gedacht, mit aller Bildkraft des Kinos, mit toller Musik und allem, was dazu gehört. Wenn ein Film im Kino funktioniert, geht es ja nicht um die Euros, die durch die Kassen klingeln, sondern um die Wertschätzung, darum, dass man vielen Leuten vielleicht auch nur einen schönen Moment gegeben, sie zum Nachdenken gebracht oder emotional berührt, zum Weinen gebracht hat. Es geht um das, was da zurückkommt, und das spürt man richtig physisch. Die Säle vollzukriegen, das hat einfach eine ganz andere Schönheit und Energie.

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