Interview mit Carlos Saldanha über seinen Film »Ferdinand«

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Foto: © 20th Century Fox

Senor Saldanha, wurde Ihnen das Buch von Munro Leaf als Kind vorgelesen oder sind Sie erst später darauf gestoßen?

Ich wuchs in Brasilien auf, dort ist das Buch nicht so bekannt, aber ich kannte den kurzen Zeichentrickfilm von Walt Disney aus dem Jahr 1936. Der wurde immer wieder im Fernsehen gezeigt, so war ich mit der Figur des Ferdinand vertraut.Erst als ich in die USA kam und selber Kinder hatte, denen ich dieses Buch vorlas, entwickelte ich eine Verbindung zu dem Buch, erkannte seine Qualitäten und kam darauf, dass man daraus einen Film machen.

Das Buch ist in den USA bekannter als in den spanischsprachigen Ländern?

Ja, in Spanien und Italien wurde es seinerzeit sogar verboten. In den USA wird es den Kindern von ihren Eltern vorgelesen, und die lesen es dann wiederum später ihren eigenen Kindern vor. Das Buch hat nur einen geringen Umfang, aber eine bedeutende Botschaft – und es ist höchst zeitlos in seiner Betonung von Toleranz und dass man nicht vorschnell über andere Menschen urteilt.

Sie haben erwähnt, dass der Pitch für das Buch nicht einfach war. Bezieht sich das auf das Animationsstudio von Blue Sky oder auf die Fox, die die Blue-Sky-Produktionen weltweit in die Kinos bringt?

Schon auf die Fox. Sie mochten die Vorlage, hatten aber Zweifel, ob der Film denn auch komisch wäre. Außerdem ist das Thema Stierkampf natürlich kontrovers. Erst als es Entwürfe für die Figuren und erste Szenen gab, zerstreuten sich diese Bedenken.

War es schwer, das Ende in der Stierkampfarena zu finden?

Ich wusste von Anfang an, dass der Film dort seinen Höhepunkt haben würde, deshalb habe ich die Geschichte vom Ende her entwickelt. Ich wusste immer, das wird ein kraftvoller Moment sein – und zwar einer, bei dem ich alle überraschen wollte und der zugleich höchst emotional ist.

Der Film kommt wenige Wochen nach der Pixar-Produktion »Coco« in die Kinos. Ist das für Sie ein Problem, oder sehen Sie darin eher eine Chance, weil die Zuschauer nun schon darauf vorbereitet sind, sich mit spanischsprachigen Traditionen auseinanderzusetzen?

Dabei spielen immer Zufälligkeiten eine Reihe, wir haben unseren Starttermin drei Mal geändert, bei »Coco« war das ähnlich. Der Erfolg von »Coco« ist gut, weil er zeigt, dass Animation funktioniert und dass man nicht immer dieselben Geschichtenerzählen muss, sondern auch mit neuen, ungewöhnlichen Geschichten ein großes Publikum finden kann.

Sind Ihnen im Verlauf der Arbeit an diesem Film kulturelle Differenzen begegnet?

Oh ja, da gab es ein sehr komisches Erlebnis. Bei der Verfolgungsjagd durch Madrid wollten wir so detailgetreu wie möglich sein, so gab es auch Apotheken in den Straßen - die sind in Spanien mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet. In Kalifornien allerdings markiert dieses Symbol die Abgabe von Cannabis. Als wir darauf hingewiesen wurden, haben wir das natürlich geändert.

Sie haben erwähnt, dass Sie mit Zeichnungen begannen bei diesem Film: ist das eher die Ausnahme, dass man nicht gleich mit dem Computer arbeitet?

Viele der Zeichnungen entstehen am Computer, aber manche Zeichner sind schneller mit traditionellem Handwerkszeug – manchmal dauert das im Computer nämlich auch viel länger.

Im Nachspann las ich die Funktion ‚sequence director’, die hier von Galen T. Chu, dem Regisseur von »Ice Age 5« ausgefüllt wurde. Was macht der?

Bei diesem Projekt hatte ich viele Verantwortlichkeiten und es war derartig viel Arbeit zu leisten, so dass ich es einigen Menschen, denen ich vertraute, überließ, einige Sequenzen zu überwachen. Chu war Animator und verantwortlich für die Animation bei all meinen Filmen, so konnte ich mich auf eine gute Zusammenarbeit freuen.

Sind Sie auch in Planungen und Entscheidungen bei Blue Sky miteinbezogen oder kümmern Sie Sich nur um die Produktion Ihrer eigenen Projekte?

Meine erste Verantwortung gilt meinen eigenen Filmen, aber ich gehöre zum Kernteam des Studios, wenn wichtige Entscheidungen anstehen, werden wir miteinbezogen. Bei kreativen Entscheidungen kommt das Management immer auf uns zu.

Nachdem Fox künftig nicht mehr die Produktionen von Dreamworks vertreiben wird, hat man bei Blue Sky schon einmal angefragt, ob Sie ihren Ausstoß erhöhen können? Bis jetzt war die Philosophie des Studios ja, klein zu bleiben.

Wir fühlen uns sehr wohl mit unserer Größe, alle anderthalb Jahre einen neuen Film herauszubringen. Fox hat mittlerweile ein Animationsstudio in London erworben, das künftig zu ihrem Animationsfilm-Output beitragen wird. Wir bei Blue Sky haben genug Projekte in Planung, um einen Film jährlich herauszubringen, aber wenn wir expandieren, müssen wir zuerst einmal neue Mitarbeiter einstellen, das wird eine Weile dauern. Außerdem würden natürlich die Betriebskosten steigen.

Blue Sky macht aber keine Animationsfilme für das Fernsehen, wie es vor allem Dreamworks mit Serien betreibt, die aus den Kinofilmen hervorgegangen sind, so »Die Pinguine aus Madagascar« oder »Die Drachenreiter von Berk«?

Nein, aber Fox hat dafür eine Abteilung, in die auch etwas von uns einfließt. So haben wir eine Reihe von Kurzfilmen für TV-Specials gedreht.

Wie sieht es mit Sequels aus, die wie im Realfilmbereich auf bewährte Namen setzen können? »Ice Age 6« oder »Rio 3«?

Die sind in unserer jetzigen Planung nicht vorgesehen. Müssten wir sie dazwischen schieben, ginge das nicht ohne zusätzliche Kapazitäten ab.

Sie erwähnten, dass bei Blue Sky an fünf Projekten parallel gearbeitet wird, von denen schließlich drei verwirklicht werden. Bei den Projekten, die verworfen werden, ist da die Ursache eher das finanzielle Risiko oder weil Sie mit der Geschichte selber unzufrieden sind?

Eher die Geschichte. Wir machen die Filme, an die wir am meisten glauben – manchmal hat man eine gute Idee, aber daraus ein perfektes Drehbuch zu entwickeln, benötigt einfach mehr Zeit. Wir ziehen dann die Projekte vor, die weiterentwickelt sind, denn es ist nicht ratsam, mit einem unfertigen Drehbuch in die Produktion zu gehen.

Dieser Film hat mehr Zeit benötigt als andere Blue Sky-Filme?

Ja, von der Idee bis zur Fertigstellung waren das sieben Jahre. Ich sprach zum ersten Mal über die Idee, als ich den ersten Rio-Film fertig gestellt hatte. Erst, nachdem ich »Rio 2« fertig gestellt hatte, konnte ich mich ganz auf „Ferdinand“ konzentrieren. Wir hatten aber auch schon Projekte, bei denen es zehn Jahre dauerte. Man arbeitet allerdings nicht jeden Tag daran.

 

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