Interview mit F. Gary Gray über seinen Film »Straight Outta Compton«

Mehr als ein Biopic
F. Gary Gray

F. Gary Gray

Sie machten den Hip Hop zu einer ebenso kommerziell einträglichen Angelegenheit wie zum Ausdruck des Protestes gegen bestehende Verhältnisse, zumal die Diskriminierung junger Farbiger durch die Polizei. "Fuck tha Police!" war der Song, mit dem sie 1989 ihren Durchbruch hatten, NWA, ihr Bandname, stand für Niggaz with Attitudes

Ein Biopic über noch lebende Künstler tendiert häufig zur Verklärung, zumal wenn diese Künstler den Film mitproduzieren. Davon ist auch »Straight Outta Compton« nicht ganz frei, es gibt eine Reihe von Standardsituationen aus diesem Genre, der schnelle Aufstieg, die Auseinanderentwicklung der Mitglieder, fragwürdige Managerfiguren. Gleichwohl entwirft der Film ein eindringliches Bild der Diskriminierung in Zeiten, da diese noch nicht mit Handys dokumentiert und damit sofort öffentlich gemacht werden konnten.

Mr. Gray, vor zwanzig Jahren gaben Sie mit dem Film »Friday« Ihr Regiedebüt. Die Hauptrolle spielte damals Ice Cube, der auch einer der Produzenten war. War es insofern naheliegend, dass Sie jetzt Regie führten bei »Straight Outta Compton«, oder mussten Sie Sich erst bemerkbar machen?

Nein, sie traten an mich heran, aber ich setzte alles daran, um ihnen zu beweisen, dass ich der Richtige war. Ich habe eine visuelle Präsentation zusammengestellt, um ihnen zu zeigen, dass die Geschichte mehr Potenzial hatte als nur ein gewöhnliches Biopic – dass der soziopolitische Hintergrund Bedeutung hatte für die Musik und welche Bedeutung die Musik damals hatte, aber auch heute noch hat. Dass es dabei zwar um universale Themen ging, die Verwurzeltheit in einem bestimmten Milieu aber extrem wichtig war.

Existierte damals schon das endgültige Drehbuch?

Nein, sie hatten ein Drehbuch, das gut war, aber noch einige Arbeit benötigte.

Waren Sie über die zwanzig Jahre in Kontakt mit Ice Cube?

Immer mal wieder.

Im Hinblick auf die Arbeit, die vor dem ersten Drehtag geleistet werden muss, war dies vermutlich Ihr schwierigster Film? All die verschiedenen Beteiligten zusammen zu bekommen und eine einheitliche Perspektive zu finden?

Das war definitiv ein langer Prozess - den Film gut vorzubereiten und den richtigen Tonfall zu finden, die richtige Besetzung zusammenzustellen und all die verschiedenen Geschichten zu einer durchgehenden Handlung zusammenzufügen.

Hatten die früheren Mitglieder von NWA ihre Differenzen schon beigelegt, bevor der Film je zur Sprache kam oder trug das Projekt auch dazu bei?

Ich glaube, sie hatten schon vor Beginn wieder ein ziemlich cooles Verhältnis zueinander. Aber wenn man in seinen Vierzigern ist und eine Familie hat, dann entwickelt man zwangsläufig andere Prioritäten. Aber dieses gemeinsame Projekt führte schon dazu, dass sie wieder Zeit miteinander verbrachten und ihre Freundschaften erneuern konnten.

Aber sie hatten schon alle zugesagt, als Sie selber dazu kamen, oder bestanden da noch Unsicherheiten?

Es begann mit Ice Cube, ich brachte dann Dr. Dre hinzu, mit dem ich öfter gearbeitet hatte. Unsere gemeinsame Vergangenheit war hilfreich, dass er sich für das Filmprojekt erwärmte. Zu Beginn war er nicht unbedingt begeistert. Er fürchtete, dass die Darstellung schief sein könnte und damit den Status von NWA gefährden könne. Die anderen folgten dann kurz darauf.

War in diesem Fall die Arbeit vor Drehbeginn schwieriger als der eigentliche Dreh? Die Entwicklung einer Perspektive? Mich interessiert das vor allem in Hinblick auf die Figuren der Musikproduzenten und Manager Suge Knight und Jerry Heller, die in nicht so positivem Licht dargestellt werden.

Für mich ging es dabei vor allem darum, so viele Informationen aus erster Hand zusammen zu tragen wie möglich und auf dieser Grundlage die Figuren zu entwickeln. Ich habe kein Interesse daran, Schurken darzustellen. Das würde weder den Figuren noch dem Film die Dimension geben, die er verdient. Es gibt Personen, die haben bessere und schlechtere Tage. Jerry Heller ist nicht der Schurke mit gezwirbeltem Bart, der alle Beziehungen für seinen eigenen Vorteil ausnutzt. Er hatte eine tolle Beziehung zu Eazy–E, wie Vater und Sohn.

Wie haben Sie es geschafft, im Besetzungsprozess jemanden wie den Sohn von Ice Cube, der nie zuvor in einem Film gespielt hatte, und Jason Mitchell, der schon eine Reihe von Filmen gemacht hat, auf eine gemeinsame Ebene zu bringen? Eher durch individuelle Arbeit mit jedem Einzelnen oder durch ein gemeinsames Training?

Da konnte ich an meinem zweiten Film »Set it Off« anknüpfen, wo ich mit Queen Latifah ja auch eine Debütantin vor der Kamera hatte. Sie gingen zusammen ins Kino, es war ein Bonding-Prozess. Das habe ich auch bei »The Italian Job« gemacht, wo die Schauspieler Zeit hatten, sich vorher kennen zu lernen. Ich versuche herauszufinden, was ihre Stärken und Schwächen sind und arbeite dann entsprechend mit ihnen. Corey Hawkins hat eine Ausbildung an der Juillard hinter sich, Jason Mitchell kommt von der Straße, bei dem versuche ich dann, Gefühle auszulösen, indem ich an seine Straßenerfahrungen anknüpfe.

Würden Sie sagen, das ist leichter bei jungen Leuten, die noch formbar sind – verglichen mit Kevin Spacey und Samuel L. Jackson, die Hauptdarsteller Ihres dritten Film, »Verhandlungssache – The Negotiator«, die damals mehr Erfahrungen hatten als Sie zu der Zeit?

Ja, das war leichter aus verschiedenen Gründen: als ich mit Spacey und Jackson arbeitete, war ich noch ziemlich jung, unerfahren und konnte noch nicht so gut artikulieren, was ich wollte. Deshalb war das damals schwieriger – nicht, weil die beiden etwa schwierigere Personen waren. 17 Jahre danach habe ich entsprechend mehr Erfahrungen.

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