Kritik zu Walchensee Forever

© Farbfilm Verleih

Janna Ji Wonders befragt die eigene Mutter und Großmutter und montiert aus der eigenen Familiengeschichte nicht nur unterschiedliche Lebenslinien, sondern ein vielstimmiges Mehrgenerationenporträt 

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Der Walchensee ist ein abseits gelegener Gebirgssee in den oberbayerischen Voralpen, eine Stunde südlich von München und Naherholungsgebiet für gestresste Großstädter, die ins kühle Bergwasser springen oder am größtenteils unbebauten Ufer wandern. Selbst für Einheimische hat er etwas Mystisches, Kindern wird raunend von abgestürzten Flugzeugen in 190 Meter Tiefe erzählt, von Seeungeheuern gar, die immer wieder mal gesichtet worden sein sollen. Selbst das Wetter schwingt sich hier zu imposanten Wolkenformationen auf, die sich auf der glasklaren Oberfläche verdoppeln und nicht selten in spektakuläreren Gewittern entladen. Und noch ein weiteres Staunen machendes Geheimnis birgt dieser See, das die junge Filmemacherin Janni Ji Wonders nun mit ihrem Familienporträt »Walchensee Forever« lüftet. Darin zeichnet sie in sehr persönlichen Befragungen ihrer Mutter und ihrer Oma ihre außergewöhnliche Familiengeschichte nach, die vor allem von Frauen bestimmt wurde. 

Sie beginnt in den 20er Jahren mit Urgroßmutter Apa, die nach dem Tod einer Tochter mit ihrem Mann an den See zieht und ein Ausflugslokal eröffnet. Großmutter Norma führt das Café zunächst widerwillig weiter und betreibt es nach der Trennung von ihrem Gatten, einem Künstler und Kriegsveteranen, allein, um nicht mehr von einem Mann abhängig zu sein. Ihre beiden Töchter Anna und Frauke reisen in den 60er Jahren durch Mexiko und Kalifornien, wo sie in Dirndln und mit Hackbrett und Gitarre bei Indigenen und Hippies gleichermaßen schnell Anschluss finden. Anna reist später zu indischen Ashrams und spirituellen Treffen, wo sie auch Jazon begegnet, einem amerikanischen Hippie, von dem sie bald schwanger wird. Ihre Tochter Janna, die Regisseurin des Films, wird in San Francisco geboren, die bereits als kleines Mädchen zurück am Walchensee mit einer Videokamera beginnt, ihre Familie und ihr Umfeld zu filmen und ihnen Fragen zu stellen. 

Aus diesen Aufnahmen, den alten Fotos ihrer Mutter, Zeitungsartikeln und neuen Interviews, u. a. mit der inzwischen 104 Jahre alten Oma, stellt sie eine Chronik ihrer Familie über ein Jahrhundert zusammen, die zur Zeitreise wird, bei der mit dem Intimen und Privaten auch immer wieder die gesellschaftlichen Umbrüche abseits des Sees mitschwingen. Vor Wonders Kamera erinnert sich Mutter Anna auch an ihre Zeit mit Rainer Langhans und ihr Leben in seinem »Harem«, auch Mitkommunardin Jutta Winkelmann und Langhans selbst kommen zu Wort.

Ganz beseelt lauscht man diesen Frauen, die so offen und herzlich zugeneigt miteinander umgehen, dabei Konflikten nicht ausweichen und immer neugierig statt wertend aufnehmen, was jemand sagt oder denkt. In einer klugen Collage entsteht so nicht nur ein Bild höchst unterschiedlicher, bisweilen in sich widersprüchlicher Lebenslinien mehrerer Generationen, sondern auch eine Reflektion über das Vergehen von Zeit selbst. Am Rande der Alpen spiegelt sich am Walchensee das Große im Kleinen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Die Filmkritik von Thomas Abeltshauser lässt einen wesentlichen Teil des Films aus. Denn im Hinblick auf die Frage, was unser Lebn glücklich erfüllt und was es zerstören kann, wird doch im Film sehr eindrücklich und intensiv von Frauke Werner berichtet, der Tante der Regisseurin. Frauke schafft es nicht, den adligen Freund an sich zu binden mit dem sie gerne eine Familie gründen würde.ln der Folgezeit zerstört sie ihr Leben und verwunded ihre Familie.

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