Kritik zu The True Cost – Der Preis der Mode

© Grandfilm

2015
Original-Titel: 
The True Cost
Filmstart in Deutschland: 
21.01.2016
L: 
92 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Andrew Morgan betrachtet in seinem Dokumentarfilm, wie sich das Geschäft mit der Mode in Textilfabriken auf der anderen Seite des Globus auswirkt – mit unerschütterlichem Glauben an bessere Alternativen

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Als 2013 die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte, über tausend Arbeiterinnen unter Trümmern begrub und mehr als zweitausend Schwerverletzte hinterließ, sah es für einen Moment so aus, als bräche die mediale Empörung über die katastrophalen Produktionsbedingungen der globalisierten Modeindustrie den schönen Schein, der uns hindert, die schmutzigen Praktiken des Systems Fast Fash­ion wahrzunehmen. Die Mitleidsaufwallung währte einen Wimpernschlag, seither sind noch mehr Markenzentren mit immer neuen Style-Angeboten zu Billigpreisen rund ums Jahr hinzugekommen.

Den amerikanischen Dokumentarfilmer Andrew Morgan, ein Lockenschopf mit Backpacker-Charme, ließen die Bilder nicht los, auch nicht die Kommentare einschlägiger Big-Business-Vertreter, die behaupteten, für lebensgefährliche Arbeitsplätze in den Herstellungsländern, hochtoxische Verarbeitungsprozesse und miserable Löhne nicht verantwortlich zu sein. »The True Cost« basiert auf Ortsbegehungen in Bangladesch, Indien, Kambodscha, China, Afrika und Haiti, die Morgan mit seiner hochauflösenden Kamera, nur von seinem Tonassistenten begleitet, zu vertrauensvollen offenen Gesprächen mit Arbeiterinnen (85 Prozent der Billigproduktion liegt in Händen unterbezahlter Frauen), lokalen Unternehmern, Umweltexperten und Kapitalismuskritikern nutzt. H & M, Zara, Walmart und die Handvoll weiterer globaler Monopolisten, die vom entfesselten Kapitalismus profitieren, stellten sich der Bitte um Interviews nicht.

So ist sein Film ein niederschmetternd plastisches Fresko über die horrenden Wechselwirkungen zwischen unserem gierigen Modekonsum und der Ausbeutung, Vergiftung und Verschmutzung in den Herstellungsländern, andererseits auch ein vorsichtig optimistischer Kampagnenbeitrag, der Modemacherinnen, Aktivistinnen und Unternehmerinnen erläutern lässt, wie die Kritik am System der Wegwerfmode zu neuen Modellen der Fair-Trade-Produktion führen kann.

»The True Cost« zeigt, wie die global agierenden Modemarken ihre Marktmacht durchsetzen, indem sie lokale Produzenten gegeneinander ausspielen und den Preiskampf erhöhen, so dass die Herstellungskosten auf dem Rücken der Arbeiterinnen weiter gesenkt und die Produktion erhöht wird. Die Ausbeutung garantiert »cheap price & good profit«, zusätzlich angeheizt durch gezielte Werbung in den westlichen Gesellschaften, die modische Zugehörigkeit versprechen, wenn man die Klamotten der vorigen Saison entsorgt, Neues kauft und seinen Teil zu den gigantisch gewachsenen Second-Hand-Märkten und Müllhalden in ärmeren Regionen beiträgt. Morgan geht weiter und fragt nach den Folgen des Rohstoffhungers, zum Beispiel den gesundheitlichen Risiken des Pestizidverbrauchs in der Baumwollproduktion und der Chromverschmutzung des Trinkwassers durch die billige Lederindus­trie in Indien. Sein Film fordert Aufmerksamkeit, ist indes gerade durch das komplexe Gewebe seiner Argumentation eine wahrlich aufklärende Lektion, die auch die eigenen Kaufentscheidungen auf den Prüfstand stellt.

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