Kritik zu Stille Post

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In seinem Spielfilmdebüt verwebt Florian Hoffmann eine kurdische Exilgeschichte in Berlin mit der Macht der Bilder und wie sie in den Medien funktionieren

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Nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sind Sätze wie diese kaum mehr aus den Nachrichten wegzudenken: »Die Echtheit der Bilder und Informationen lässt sich nicht überprüfen.« Und nicht erst seit der Präsidentschaft von Donald Trump sind »Fake News« zu einem geflügelten Wort geworden. Dabei hat es das Bewusstsein für die Kraft von Bildern geschärft, aber auch das Misstrauen gegenüber Medien genährt. Zugleich rücken bei der Fülle an aktuellen Konflikten einige schnell wieder in Vergessenheit, wenn sie in der Berichterstattung nicht mehr auftauchen. In seinem vielschichtigen Spielfilmdebüt ­»Stille Post« verknüpft Florian Hoffmann die manchmal zweifelhafte Rolle der Medien mit einer sehr persönlichen Exilgeschichte, in dem ein kurdischstämmiger Grundschullehrer Bildmaterial verfälscht, um die Aufmerksamkeit auf den Konflikt zu lenken und zugleich seine seit Jahrzehnten in der Türkei verschwundene Schwester zu finden.

Khalil (Hadi Khanjanpour) führt mit seiner Freundin Leyla (Kristin Suckow), einer Fernsehjournalistin, ein recht unaufgeregtes Leben in Berlin-Kreuzberg. Eines Tages bringt Leyla Videomaterial aus Khalils Heimatstadt Cizre mit. Darauf glaubt er seine seit Jahren verschollene Schwester zu erkennen, zudem führen ihm die Bilder schmerzlich den Kriegszustand in der von der Türkei belagerten kurdischen Stadt vor Augen. Als Leyla ihre Redaktion zu überzeugen versucht, das Thema in die Nachrichten zu bringen, winkt die Chef­redakteurin (Jeanette Hain) gelangweilt ab. Die Bilder sind nicht drastisch genug, der Konflikt derzeit nicht relevant für das deutsche Publikum. Derweil intensiviert Khalil seine Kontakte zu der kurdischen Gemeinde in Berlin, über die er hofft, seine Schwester zu finden. Doch die will ihm nur helfen, wenn es ihm gelingt, die Bilder, den Konflikt ins Fernsehen zu bringen. Leyla hilft ihm dabei, verliert ihre professionelle Distanz und vergisst ihr journalistisches Ethos. Gemeinsam mit Khalil manipuliert sie die Videos: »Die Bilder brauchen einen anderen Geruch«, sagt sie. Derweil verliert Khalil den Boden unter den Füßen und er merkt nicht, wie er von der kurdischen Exilgemeinschaft instrumentalisiert und benutzt wird. 

Geschickt verwebt Hoffmann reale Handyvideos, die er selbst aus der Konfliktregion zugespielt bekam, und Schnipsel aus deutschen Nachrichtensendungen mit fein komponierten Bildern. Denn mit dem zunehmenden Zweifel, der Entfremdung Khalils von seiner neuen Heimat werden die Bilder karger, kühler. Einsam sitzt er in der spärlich eingerichteten Wohnung, die einzige Lichtquelle sind die Videos aus der Heimat auf seinem Display. 

Hoffmann packt ein bisschen viel Stoff in seine gut eineinhalb Stunden. Und doch sensibilisiert er mit seinem unaufgeregten Film für Konflikte, die allzu schnell in Vergessenheit geraten, weil sie nicht mehr dramatisch, spektakulär genug sind und weil sie aus diesem mangelnden Interesse keinen Platz in den Medien finden.

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