Kritik zu Song Sung Blue
Zwei vom Leben enttäuschte Musiker (Hugh Jackman und Kate Hudson) kommen privat und beruflich zusammen und starten als »Lightning & Thunder« erfolgreich durch – bis das Schicksal zuschlägt
Dass »Song Sung Blue« der Titel eines Welthits von Neil Diamond war, muss man im Jahr 2025 einem jüngeren Kinopublikum vermutlich erklären. Zumal in Deutschland, wo das Lied 1972 zwar die Top Ten erreichte, der Sänger allerdings nie den gleichen Evergreen-Status hatte wie in seiner US-Heimat. Doch für den gleichnamigen Film von Craig Brewster gilt: Selbst wer von all dem nichts weiß, kann hier trotzdem noch auf seine Kosten kommen.
Basierend auf wahren Begebenheiten wird hier eine Liebesgeschichte erzählt, die schon der Stoff eines Dokumentarfilms war. In den späten achtziger Jahren kreuzen sich in Wisconsin die Wege zweier Menschen, die sich vom Leben mal mehr erhofft hatten. Mike (Hugh Jackman) ist geschieden, trockener Alkoholiker und vor allem Musiker mit Leib und Seele. Der große Durchbruch ist – trotz Künstlername Lightning und zugehörigem Blitz hinten auf der Jacke – nie gelungen, also hält er sich mit Kneipen-Gigs, Jahrmarktauftritten und Ähnlichem über Wasser. Derweil verdient Claire (Kate Hudson), alleinerziehende Mutter zweier Kinder, ihren Lebensunterhalt als Friseurin, tritt nebenbei allerdings auch als Patsy-Cline-Imitatorin auf. Zwischen den beiden knistert es schnell und sie finden nicht nur privat, sondern auch musikalisch zusammen. Unterstützt von einigen Gleichgesinnten und Wegbegleitern gründen sie eine Neil-Diamond-Coverband mit Namen Lightning & Thunder, was – wenn sie nicht gerade versehentlich für eine Rockerkneipe voller Biker gebucht werden – sogar einen gewissen Erfolg nach sich zieht. Bald erlangen sie lokale Berühmtheit und dürfen in Milwaukee im Vorprogramm von Pearl Jam auftreten. Doch dann durchkreuzen mehrere Schicksalsschläge ihre großen Ambitionen.
Die Qualität des Outputs von Craig Brewer als Regisseur ist immer ein wenig Glückssache, doch seine stärksten Arbeiten waren bislang jene, die Musik zum Schwerpunkt hatten (»Hustle & Flow«) oder eine biografische Geschichte erzählten (»Dolemite Is My Name«). In »Song Sung Blue« vereint er nun beides, und obwohl er sich dabei zwei Menschen widmet, die nicht im eigentlichen Sinne prominent sind, orientiert er sich doch an einem bewährten Biopic-Erzählmuster (Aufstieg–Fall–Comeback), wie er es demnächst auch für die Lebensgeschichte von Snoop Dogg anwenden dürfte.
Vieles funktioniert in diesem unnötig langen Film nicht wirklich überzeugend. Selten bekommt man ein Gespür dafür, wie viel Zeit vergeht, weswegen es fast wahllos wirkt, wenn Mike dann hin und wieder ein weiteres Jahr Abstinenz feiert. Aber auch den Raum wirklich greifbar zu machen, was dieses Paar, das beiderseits mit reichlich emotionalem Gepäck in diese neue Beziehung geht, jenseits der gemeinsamen Freude am Musizieren eigentlich verbindet, nimmt er sich nicht. Was beides auch daran liegt, dass fast alle Songs in »Song Sung Blue« – ob nun bei Proben oder Liveauftritten – ausgespielt werden.
Doch die Ernsthaftigkeit, mit der sich Brewer (der auch fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet) den Träumen seiner Protagonist*innen widmet, hat etwas Rührendes, gerade weil er weder auf ihr Milieu noch die von ihnen geliebte Musik herabblickt. In vielerlei Hinsicht erinnert sein Feelgood-Film an Diamonds populärste Songs wie »Sweet Caroline« oder »Play Me«: Eigentlich sind sie zu kitschig und sentimental, aber gleichzeitig eben auch verdammt effektiv. Letzteres liegt in diesem Fall nicht so sehr an der Regie, sondern am Ensemble, zu dem auch Michael Imperioli oder Jim Belushi gehören. Vor allem Hudson verkörpert ihre Rolle so mitreißend und voller Wärme wie selten in ihrer Karriere und ringt der Geschichte dabei immer wieder echte Tiefe (sowie gesangliche Höhepunkte) ab. Selbst wer am Ende immer noch nicht wirklich weiß, wer Neil Diamond ist, dürfte den (vergleichsweise obskuren) Ohrwurm »Soolaimón« nach dem Kinobesuch nur schwerlich wieder loswerden.




Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns