Kritik zu Soldaten des Lichts
Julian Vogel und Johannes Büttner zeigen in ihrem Dokumentarfilm ein Milieu, in dem turbokapitalistische Selfmade-Wertschöpfung, faschistoide Geisteshaltung und alchemistische Praktiken auf gläubige Anhänger treffen
Er kifft ziemlich viel. Ob das allerdings allein der Grund dafür ist, dass er glaubt, die Erde sei eine Scheibe und satanistische Geheimbünde führten unaussprechliche Rituale an Kindern durch? Ist es tatsächlich bloß der Drogenkonsum, der ihn bestätigend nicken lässt, wenn Geistheiler Sananda von den Reptiloiden spricht, die bereits über die Hälfte der Menschen ersetzt haben? Oder hat Mister Raw, Roh-Vegan-Influencer von eigenen Gnaden, bürgerlich: David, vielleicht einfach nur ein paar Schrauben mehr locker als der Durchschnitt?
Damit macht man es sich natürlich zu einfach. Den Anhänger*innen von Verschwörungserzählungen und esoterischen Entwürfen aller Art die geistigen Kapazitäten abzusprechen, nimmt diesen ja nun mal nicht die Gefährlichkeit. Das anders gestrickte Gegenüber als »schief gewickelt« zu diskreditieren, verschärft nur den Konflikt und vertieft die Spaltung; wo es doch, wie wir alle wissen, um Verständigung, am Ende gar Verständnis gehen müsste.
Zugegeben, angesichts dessen, was Johannes Büttner und Julian Vogel in ihrem Dokumentarfilm »Soldaten des Lichts« vor Augen führen, fällt das einigermaßen schwer. Da fabuliert der selbst ernannte König von Deutschland, Peter der Erste Menschensohn, dass er schwere Erkrankungen vermittels der Methode des »Wahrscheinlichkeitswechsels« heilt; und Cryptoprophet Daniel konstatiert, wer arm sei, sei selbst schuld, bevor er in sein protziges Auto steigt, das, wie er stolz noch wissen lässt, 330 Sachen schafft.
»Soldaten des Lichts« ist ein kluger Film. Er enthält sich jeglicher ideologischer Beurteilung und bildet kommentarlos ein gesellschaftliches Segment ab, in dem kapitalistische Selfmade-Wertschöpfung, faschistoide Geisteshaltung und alchemistische Praxis eine Art Urschlamm ergeben. Schon einmal entwickelte sich solcherart ein fruchtbarer Schoß, aus dem allerhand Schauerliches kroch. Es zeichnet den dokumentarischen Ansatz von Büttner – der mit David einst die Grundschule besuchte – und Vogel aus, dass er die Opfer der dargelegten ausbeuterischen Struktur in den Blick nimmt, ohne sie auszustellen. Denn während die Protagonisten der Bewegung – die Frauen bereiten unterdessen im Hintergrund das Essen zu – sich vor der Kamera unablässig in einen Schwurbel hineinreden, steht beispielhaft Timo schweigend am Rand und wird immer weniger. Wie viele andere hat sich der junge Mann während der Pandemie radikalisiert, mittlerweile hat er mit Psychosen zu kämpfen; Mister Raw, der ihn wie einen Sklaven hält, empfiehlt Fastenkuren.
Es ist ein Geschäftsmodell: David ist weniger ein kiffender Irrer als vielmehr ein Scharlatan, der den schnellen Euro fest im Blick behält. Und es ist ein Erfolgsmodell: als Prophet des Untergangs in unsicheren Zeiten mit Heilsversprechen hausieren zu gehen. Beunruhigend sind insofern nicht nur die Inhalte, die von den Antidemokraten unters Volk gebracht werden, sondern womöglich sogar noch viel mehr die Methoden, mit deren Hilfe dies geschieht; denn es sind die Methoden des herrschenden wirtschaftlichen Systems.
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