Kritik zu The Smashing Machine
In Venedig erhielt Benny Safdie für sein Biopic über den MMA-Pionier Mark Kerr den Regiepreis, doch die Entdeckung des Films ist Dwayne Johnson in ungewohnter Rolle
Es liegt nahe, bei Benny Safdies Film »The Smashing Machine« zu sagen, die Titelrolle sei dem Hauptdarsteller Dwayne »The Rock« Johnson auf den Leib geschrieben: Ein Mixed-Martial-Arts-Kämpfer, dessen ölglänzender Körper einer comichaften Skulptur gleicht, so aberwitzig muskulös, als habe Fernando Botero eine antike Boxerstatue geschaffen, oder – um passend popkulturell zu bleiben – als habe man Buzz Lightyear mit dem Hulk gekreuzt.
Trotzdem greift das viel zu kurz, denn so sehr diese physische Betrachtungsweise sich zunächst aufdrängt, verstellt sie nicht den Blick für die eigentliche Sensation des Films, nämlich Johnsons nuancierte Darstellung eines Seelenlebens. Dass es sich bei seiner Rolle nicht um einen fiktiven Charakter handelt, sondern um eine reale, noch lebende Person, macht die Sache umso schwieriger – und Johnsons Leistung umso bravouröser.
Es geht um den Sportler Mark Kerr, Jahrgang 1968, der seine Karriere als Ringer begann und Ende der Neunzigerjahre zu einem Pionier der damals noch jungen Sportart Mixed-Martial-Arts (MMA) avancierte. Von diesen Anfangsjahren erzählt »The Smashing Machine«, der auf John Hyams' gleichnamigem Dokumentarfilm basiert.
Durch die Konzentration auf die Jahre 1997 bis 2000 ist Safdies Film kein traditionelles Biopic, bei dem zunächst Stationen der Kindheit abgehakt werden, um später als Erklärung für bestimmte Verhaltensmuster zu dienen. Vielmehr geht Safdie mitten rein, zeigt Kerr gleich in der ersten Szene als einen »Raging Bull«, der sich darauf einstimmt, seinen Gegner im Ring, nun ja, zu zertrümmern. Bereits in diesen ersten Minuten gelingt es, eine Figur zwischen brütender Introvertiertheit und wütender Gewalt zu skizzieren, von unbändigem Ehrgeiz getrieben, aber abgeklärt genug, um das Ganze als einen Job zu betrachten – die Frage, ob man angesichts der rohen Brutalität den Gegner hassen müsse, verneint Kerr ohne Wimpernzucken, und man glaubt es ihm sofort.
Bereits in »Der schwarze Diamant« hatte Benny Safdie mit seinem Bruder Josh einen oft belächelten Schauspieler zu ungeahnten Höhen geführt: Adam Sandler. Doch anders als dort ist die Atmosphäre in »The Smashing Machine« nicht von einer flirrenden Nervosität an der Grenze zur Hysterie bestimmt, sondern von einer beobachtenden Ruhe und Klarheit. Es geht Safdie nicht um das reißerische Vorführen eines Sports, der sich seinem Wesen nach viel zu leicht dafür eignen würde. Sein Blick auf diese Welt ist zutiefst humanistisch. Er will das respektvolle Porträt eines Mannes zeichnen, der maßgeblich zur Popularisierung dieser Sportart beigetragen hat, den großen Ruhm aber nicht mehr mitnehmen konnte. Damals traten Kerr und seine Kollegen fast ausschließlich bei überschaubaren Turnieren in Japan an, und die Culture-Clash-Momente gehören mit ihrem feinen Humor zu den schönsten Szenen des Films.
Auch eine moralische Bewertung des MMA liegt Safdie fern. Vielmehr zeigt er die Widrigkeiten des noch jungen Sports, der sich hier auch als subtiles Sinnbild amerikanischer Working-Class-Ambitionen betrachten lässt. Immer wieder gibt es kleine, feine Szenen, die Kerr mit seiner Lebenspartnerin (sehr gut: Emily Blunt), aber auch seinen besten Freund (gespielt von MMA-Kämpfer Ryan Bader) als klassische Arbeiterfamilien zeigen.
Seine Energie zieht der Film gleichwohl aus der Faszinationskraft Kerrs, seinen Widersprüchlichkeiten, Ängsten und Anstrengungen. Hier muss noch einmal von Johnson die Rede sein, der diesen Mann zwischen Sensibilität und Selbstsucht, Zweifeln und Zielstrebigkeit mit einer Feinheit darstellt, die nur wenige ihm zugetraut hätten (wenngleich er bereits 2013 in Michael Bays großartiger Satire »Pain & Gain« glänzte). Mag sein, dass die Rolle ihm wie auf den Leib geschrieben ist. Und womöglich erzählt er in dem Part auch ein kleines bisschen von seiner eigenen Wrestling-Vergangenheit. Doch an »The Rock« denkt nach diesem Film niemand mehr – dafür hat der Name Dwayne Johnson fortan einen anderen Klang.
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