Kritik zu Pandemie

© Kinostar Filmverleih

2013
Original-Titel: 
Gamgi
Filmstart in Deutschland: 
06.08.2020
L: 
122 Min
FSK: 
16

Es ist ein eigentümliches Vergnügen, Katastrophenfilme von früher mit den realen Erlebnissen der Gegenwart zu vergleichen. Der koreanische Thriller aus dem Jahr 2013 zeigt, warum

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Eigentlich kommt es nicht mehr vor, dass ein Film aus dem Jahr 2013 erst 2020 in den Kinos startet. Warum für Sung-su Kims »Pandemie« eine Ausnahme gemacht wird, liegt auf der Hand, beziehungsweise im Titel. Das Kalkül dahinter ist so offensichtlich, dass man es schon nicht mehr als solches bezeichnen kann. Offenbar gibt es eine Nachfrage nach Filmen, die auf fiktive Weise versuchten, vorherzusehen, wie das wohl ist, wenn ein bislang unbekanntes Virus auftaucht. 

Wie in Steven Soderberghs »Contagion«, der zu Beginn der Corona-Zeit oft zitiert wurde, gibt es auch in »Pandemie« jene Momente, die man noch vor einem Jahr übersehen hätte, die heute aber geradezu hellsichtig erscheinen. Zum Beispiel das Ding mit den Aerosolen: Als die ersten unwissentlich Angesteckten in »Pandemie« zu husten beginnen, zeigt der Film mit Zeitlupe und Einfärbung eben jene inzwischen notorischen Tröpfchen in der Luft und wie sie sich verteilen. Er zeigt auch, wie wenig sich die Menschen davor schützen. Obwohl schnell Masken getragen werden (wir sind in Asien), ist der Umgang mit ihnen, das fällt dem Corona-Zeitgenossen ebenfalls geradezu schmerzlich ins Auge, doch sehr nachlässig. Und weil solche sich aufdrängenden Vergleiche zur aktuellen Lage fast öfter stören denn erhellen, ist man froh, dass der Film die Dinge im Grunde schlicht hält. Nach vertrautem Katastrophenfilmmuster werden zuerst ein paar harmlose und ein paar weniger harmlose Figuren bei ihren üblichen Alltagsgeschäften vorgestellt. Ji-koo etwa ist Rettungshelfer. In der ersten Szene muss er eine junge Frau aus einem in einen Schacht gestürzten Auto befreien. Man kennt das Spiel: Die Gefahr erhöht den Flirtfaktor. Umso enttäuschter ist Ji-koo, als sich In-hae bei ihm hinterher meldet, nicht etwa, um sich zu bedanken, sondern um ihre mit abgestürzte Handtasche einzufordern ...

Am anderen Ende der Stadt müssen derweil zwei Brüder, die im Schlepper-Business tätig sind, entdecken, dass ihnen ein ganzer Container voller Illegaler verloren ging – sämtliche Insassen sind tot. Während sie noch ungläubig schauen, läuft der einzige Überlebende hustend davon. Dann geht alles ganz schnell: Die Aerosole tun das ihrige und schon brechen Menschen in Supermärkten zusammen, sterben hinterm Steuer auf der Autobahn und werden en masse als Notfälle ins Krankenhaus eingeliefert. Es stellt sich heraus, dass In-hae, die Frau aus dem abgestürzten Auto, Ärztin ist, mit dem Spezialgebiet Virologie.

Während sich die Katastrophe sozusagen »unten« entfaltet, tagen »oben« die Krisenstäbe, in denen sich die genreüblichen Gegensätze auftun: Auf der einen Seite skrupellose Politiker, die alles unter den Tisch kehren wollen, und dafür auch Morde in Kauf nehmen, auf der anderen Seite besorgte Experten und die wenigen Guten, die versuchen, zu retten, was zu retten ist. 

Während Corona uns als Publikum in vielen Aspekten zu klug gemacht hat für eine Thrillerhandlung dieser Art – ein Impfstoff innerhalb weniger Tage? Keine Rede von R-Faktor oder »flatten the curve«? – ist es dieser hier sehr holzschnittartig dargestellte Konflikt zwischen Experten und Macht, zwischen Lösung von oben und Lösung von unten, der fast am meisten ins Mark trifft.

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