Kritik zu Nö

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Dietrich Brüggemann erzählt 15 Stationen einer Beziehung: mal leise, mal witzig, mal schockartig, mal surreal 

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Die titelgebende Verneinung fällt schon in der ersten Einstellung. Dina (Anna Brüggemann) und Michael (Alexander Khuon) sprechen über ihre Zukunft, eher so im Nebenbei, pillow talk. Sie kennen sich schon länger, das wird schnell klar, und jetzt steht vielleicht der nächste Schritt an, eine Familie, Kinder. Das sei das Einfachste von der Welt, meint Dina, eine Schauspielerin, die Menschheit tue das schon seit Hunderttausenden von Jahren. Michael, Chirurg, entgegnet, man müsse nicht das tun, was die Gesellschaft von einem erwartet. Und schlägt, allerdings nicht so wirklich ernsthaft, vor, man könne sich doch mal für eine Zeit lang trennen. Diese Diskussion beendet Dina mit einem knallharten »Nö«. 

Aus 15 Momentaufnahmen aus dem Beziehungsleben von Dina und Michael besteht der neue Film von Dietrich Brüggemann, dessen Drehbuch er wieder mit seiner Schwester Anna geschrieben hat. Oft aufgenommen in einer statischen One-shot-Sequenz, mitunter aber auch mit beweglicher Kamera, liefern sie Szenen einer Beziehung über viele Jahre: die Geburt der Kinder, ein Geburtstag, der leicht aus dem Ruder läuft, der Tod von Michaels Vater. Man darf sich das aber nicht als quälende »Szenen einer Ehe« à la Bergman vorstellen, ganz im Gegenteil: immer wieder lässt Brüggemann das Unwirkliche in die Realität einbrechen. In einer der größten Szenen des Films erwacht ein Patient ­quasi unter dem Messer von Michael aus der Narkose, während die Zeit stillsteht, und erklärt dem jungen Mann mal, worauf es im Leben so ankomme. Der Patient wird übrigens gespielt von Rüdiger Vogler, und Hanns Zischler gibt Michaels Vater; die beiden spielten in »Im Lauf der Zeit« 1976 zusammen – ein schöner Besetzungscoup. 

Seit Dietrich Brüggemanns letztem Kinofilm »Heil«, einer nicht immer ­zündenden Neonazi-Persiflage, sind fünf Jahre vergangen. In dieser Zeit hat er drei »Tatort«-Folgen gedreht (darunter den großartigen Zeitschleifenfilm »Murot und das Murmeltier«) und die äußerst umstrittene Kampagne #allesdichtmachen initiiert, in der Schauspielerinnen und Schauspieler von ironisch bis sarkastisch ihrem Ärger über Pandemie, Politik und Lockdown Luft machten. In »Eine andere Freiheit«, ­einem auf  YouTube veröffentlichten dema­gogischen Dokumentarfilm gegen das Impfen von Kindern und 
Jugendlichen, ist er auch dabei und schwurbelt gegen die Panikmache der Medien. Nun, da muss man wahrscheinlich, wie so oft, Person und Werk voneinander trennen. 

»« ist gewissermaßen die Fortsetzung von Brüggemanns »Drei Zimmer/Küche/Bad« (da waren Anna Brüggemann und Alexander Khuon auch schon ein Paar) mit den Mitteln von »Kreuzweg«.

Auf Dauer gut gehen wird es der Beziehung von Dina und Michael nicht in diesem Film, aber ob es an ihnen liegt oder an den Anforderungen des Alltags, das bleibt angenehm offen. Nicht jeder Spott, etwa über das Gendern oder eine exaltierte Kulturszene, funktioniert. Aber allein seine drei alltäglich-surrealen Ärzteszenen machen diesen Film liebenswert.  

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