Kritik zu Moonage Daydream

© Universal Pictures

2022
Original-Titel: 
Moonage Daydream
Filmstart in Deutschland: 
15.09.2022
L: 
134 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Weniger Biografie als assoziativer Bilderrausch: Brett Morgen montiert zum Teil rares und verschollen geglaubtes Material aus David Bowies Archiv zu einem Kaleidoskop des Schaffens und der Weltsicht des großen Pop-Künstlers

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Major Tom. Ziggy Stardust. Aladdin Sane. Thin White Duke. Wie kein anderer Popstar spielte David Bowie mit Identitäten, war rastlos in seinem Wandel, das personifizierte Pop-Chamäleon. Wenn über sechs Jahre nach seinem Tod nun mit »Moonage Daydream« der erste offiziell autorisierte Dokumentarfilm erscheint, sollte man also alles andere erwarten als eine klassische Biografie über den Mann, der einst als David Jones geboren wurde. Das ist keine Warnung, sondern unbedingt als Empfehlung zu verstehen. Brett Morgens 140-minütiger »Moonage Daydream«, der in Cannes Weltpremiere feierte und nun regulär ins Kino sowie auf IMAX-Leinwände kommt, findet als assoziativer Bilderrausch eine adäquat freie Form, um sich diesem einzigartigen Künstler zu nähern.

Der US-amerikanische Filmemacher Brett Morgen, der bereits Dokumentarfilme über den Nirvana-Sänger Kurt Cobain (»Montage of Heck«) und die Rolling Stones (»Crossfire Hurricane«) inszeniert hat, hat sich sechs Jahre lang in das Material eingearbeitet, das ihm aus dem Nachlass zur Verfügung gestellt wurde. Bowie war ein unermüdlicher Archivar seines eigenen Schaffens, Morgen konnte auf Tausende Stunden Mitschnitte von Konzertauftritten, Musikvideos und frühen Fernsehauftritten zurückgreifen, vieles davon galt als verschollen oder war bislang unveröffentlicht. Er kommt ganz ohne neu gefilmte Talking Heads irgendwelcher Zeitzeugen oder Experten aus, arbeitet ausschließlich mit diesem Archivmaterial, ergänzt durch Verweise auf Popkultur, Kino und Zeitgeschichte, die Bowie als multimediales Gesamtkunstwerk kontextualisieren. 

Da stehen Szenen aus »Metropolis« und »Der Zauberer von Oz« neben Bildern der Mondlandung und psychedelischen Animationen. Morgen geht es nicht um das Abhaken biografischer Stationen, nicht um eine möglichst umfassende Würdigung seiner Diskografie, und oft ist nicht klar, in welchem Jahr wir uns befinden. Er montiert das Material zu einem rauschhaft-immersiven Trip durch Bowies Gedankenwelt über die Kunst und das Leben. Und kommt mit dieser sinnlichen Erfahrung dem Wesen des britischen Rockstars auf erhellende und begeisternde Art nahe. Als Off-Kommentar dienen dabei konsequent Interviewausschnitte David Bowies aus verschiedenen Dekaden, die sich zu einer Art Vorlesung seines Blicks auf die Welt und die Flüchtigkeit des Daseins verdichten, etwa in seiner Faszination für Nietzsche. Bei allen Wandlungen im Laufe der Jahrzehnte erscheinen sie erstaunlich konsistent.

Es ist ein Schatz, den Morgen da mit dem Segen der Erben heben durfte. Ein wahr gewordener Traum sind Aufnahmen, die lange nur als Gerücht existierten, etwa das Konzert der »Diamond Dogs«-Tour in Philadelphia, das Bowie mit zwei Kameras festhalten ließ, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie seine Show aus Fanperspektive wirkt. Ähnlich rares Material gibt es von den »Soul«- und »Young Americans«-Tourneen zu sehen. Oft schneidet Morgen dabei Performances eines Songs aus verschiedenen Zeiten zu einer Parallelmontage, die in der ausgestellten Vergänglichkeit melancholisch und doch zeitlos wirken.

Auch Bowies Ausflüge in andere Kunstformen finden in diesem Konzept Raum, seine Porträtmalerei oder die Auftritte als Schauspieler, etwa in der Broadwayproduktion von »The Elephant Man«. Andere biografische Eckdaten sind dagegen wenig zu finden, vieles bleibt unerwähnt, Bowies erste Ehefrau Angela oder Sohn Duncan etwa kommen nicht zu Wort, auch die klassischen Höhen und Tiefen seiner langen Karriere buchstabiert Morgen nicht aus. So fasst er das ewige Suchen Bowies in eine collageartige Form, die zur mitreißenden Würdigung dieses unbändigen Künstlers und zu einem kaleidoskopischen Trip durch seine Gedankenwelt wird und seinen Austritt aus unserer Umlaufbahn umso schmerzlicher spürbar macht.  

Meinung zum Thema

Kommentare

Es ist absolut schleierhaft, wie die Umsetzung dieses vollkommen orientierungslosen Konzeptes als gelungen bezeichnet werden kann. Der von Bowie gelesene Text, unterlegt mit einem fast kindlich anmutenden optisches Offenbarungseid an alles, aber auch wirklich alles was Morgan in seinen Suppentopf schmeißen konnte, bedient wohl ein sehr oberflächlich zu beeindruckendes Publikum. Ein bisschen Kenneth Anger und Max Schreck, Farbspielchen, die schon in den späten 60ern Klassen besser präsentiert wurden, u.s.w.,....."Snippets" als Collage, vollkommen sinnentleert als Gimmicks für's Auge,....das soll langen? Dieses zerstückelte Sammelsurium an (auch nur) teilweise neuem Material bewegt sich bestenfalls auf dem gleichen Niveau, wie die letzten 90 Minuten von "Into the Void". Eine vergebenen Chance, bestenfalls die limitierte Interpretation Mogens, nicht mehr und nicht weniger, bei diesem kolportierten Zeitaufwand,.sehr bedenklich,..oder eben der aktuelle Zeitgeist der Oberflächlichkeit, ...Das Script, Umsetzung, Cutting,..richtungsweisend für neue Musikdokumentationen? ...na dann noch viel Spaß.

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