Kritik zu Las Insoladas – Sonnenstiche

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Eine Gesellschaftskomödie aus Argentinien: Regisseur Gustavo Taretto lässt sechs Frauen in Buenos Aires unter der Sonne über Gott und die Welt plaudern

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Buenos Aires, neun Uhr morgens, die Sonne brennt. Der alte Werbespruch für ein bekanntes deutsches Haarpflegeprodukt kommt einem bei Gustavo Tarettos »Las Insoladas« unwillkürlich in den Sinn. Einerseits, weil der argentinische Regisseur für seinen zweiten Spielfilm eine artifizielle Werbeästhetik wählt, die ganz offensichtlich auch als Camp-Zitat gemeint ist. Noch mehr aber, weil die sechs Hauptdarstellerinnen den Versprechen der Beauty-Industrie alles andere als abgeneigt sind. Valeria, Karina, Lala, Flor, Vicky und Sol treffen sich am Morgen des 30. Dezember 1995 auf dem Dach eines Hochhauses im Zentrum von Buenos Aires, um sich auf einen Salsawettbewerb vorzubereiten: Sie liegen in der Sonne, machen sich die Haare schön, benetzen ihre erhitzten Körper mit kühlenden Lotions und maniküren ihre Fingernägel. Dazwischen führen die sechs Freundinnen rührend naive Diskussionen über ihre Schlafstörungen, über Männer, die Größe der Sonne und intelligentes Leben im All. Die geschwätzige Ahnungslosigkeit der Frauen ist möglicherweise auch den Temperaturen geschuldet. Die Hitze steigt ihnen langsam zu Kopf.

Dass Taretto die naheliegende Frage nach intelligentem Leben über den Dächern von Buenos Aires übergeht, ist ein charmanter Zug seines Films, der trotz der burlesken Konstellation ein ernsthafteres Interesse an den Figuren entwickelt. Hinter den oberflächlichen Reizen von »Las Insoladas« – geometrische Bildkompositionen, ein stilisiertes Farbkonzept mit bunten Bikinis und technicolor-artigem Licht, eine retroselige Ausstattung – macht sich zögerlich eine Art Gesellschaftskomödie bemerkbar. Was die Frauen in ihren Gesprächen beschäftigt, führt immer wieder auf ihre Lebenssituationen zurück. Sie alle stehen in hochgradig prekären Arbeitsverhältnissen: Sol arbeitet in einem Fotolabor, Lala in einem Plattenladen, Vicky verdient ihr Geld mit gelegentlichen Porno-Drehs. Das harmlose Geplauder steht in einem krassen Missverhältnis zu den realen ökonomischen Bedingungen ihrer Leben, wobei nie klar wird, ob Taretto diese Diskrepanz als satirischen Kommentar benutzt oder sich bloß im Stilmittel vergreift.

Nach einer Weile ist man weniger von dem pausenlosen Geplapper genervt als von Tarettos billiger Masche, sich hinter ironischen Gesten zu verstecken, deren Überaffirmation eines Almodóvar, der hier ganz offensichtlich Pate stand, nicht würdig wäre. Die Frauen werden einem trotz ihrer Tussigkeit sogar zunehmend sympathischer, weil sich in ihren naiven Gedanken eine Sehnsucht ausdrückt, die – wie der deutsche Titel nahelegt – klimabedingt immer lebhaftere Formen annimmt. Kuba wird zu einer Obsession der Freundinnen, bestärkt durch ein paar gestohlene Urlaubsfotos, ein Werbeplakat und die Erkenntnis, dass ihre Jobs ihnen den Traumurlaub niemals ermöglichen werden. »Las Insoladas – Sonnenstiche« hat einen tragikomischen Subtext, dem die schrille Inszenierung nie gerecht wird. Valeria, Karina, Lala, Flor, Vicky und Sol hätten einen besseren Film verdient.

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