Kritik zu Kleine Germanen

© Little Dream Entertainment

Gibt es in Deutschland eine Kontinuität von rechtsextremen Erziehungstraditionen? Frank Geiger und Mohammad Farokhmanseh versuchen mit den Mitteln des Animations- und Dokumentarfilms, eine Antwort darauf zu geben

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In Talal Derkis kürzlich gestartetem Dokumentarfilm »Of Fathers and Sons« über die Indoktrinierung junger Islamisten in Nordsyrien kamen Frauen nicht vor. Dabei haben sie nach Meinung vieler Wissenschaftler den größten Einfluss auf die weltanschauliche Ausrichtung ihrer Kinder. Dem trägt nun der von Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger realisierte Film »Kleine Germanen« Rechnung, der die Tradierung rechtsextremer Werte in manchen deutschen Familien thematisiert.

Produzent Ali Samadi Ahadi hatte schon 2011 in seiner Regiearbeit »The Green Wave« die iranischen Aufstände von 2009 in einer Mischung aus Animation, dokumentarischen Interviews und Handyfilmen nachgezeichnet. Auch »Kleine Germanen« ist als Teilanimation mit ergänzenden dokumentarischen Elementen realisiert. Dabei geht es wohl auch darum, die echten Akteure der laut einer Texteinblendung dem Film zugrunde liegenden »wahren Geschichte« zu schützen. Diese wurde komplett in eine gezeichnete Spielhandlung verwandelt, die von einer weiblichen Erzählerstimme mit Märchentanten-Timbre aus der rückblickenden Ich-Perspektive erzählt wird.

Es geht um eine Kontinuität ideologischer Erziehung, die in der deutschen Nachkriegszeit mit dem Mädchen Elsa und der erfolgreichen Indoktrination durch ihren geliebten NS-Großvater begann. Von dort schlägt sich das rechtspädagogische Programm in die nächste Generation durch, bis die zunehmende Brutalisierung ihres ebenfalls rechtsextremen Ehemannes die völkisch eingestellte Mehrfachmutter ­Elsa zum Ausstieg aus der Szene treibt – mit ­fatalen Folgen.

Parallel zu dieser expressiv gezeichneten Geschichte gibt es Statements von bekennenden (und zwei ausgestiegenen) Rechtsextremen verschiedener Schattierungen und von Experten, die sich mit rechter ­Pädagogik beschäftigen. Letztere haben­ Interessantes zu sagen, müssen aber merkwürdigerweise allesamt aus dem Off sprechen (als wollten sie nicht mit ihrem Gesicht zum Gesagten stehen), während ihre nationalistischen Konterparts offen in die Kamera sprechen dürfen – und wie Götz Kubitschek und Partnerin Ellen Kositza im gediegenen häuslichen Ambiente die biederen Wertkonservativen geben.

Befremdlich sind wiederkehrende Szenen mit spielenden blonden Kindern, die vermutlich die »kleinen Germanen« visualisieren sollen. Aber zu welchem Zweck? Warum braucht es ausgerechnet dazu reale Personen auf der Leinwand? Und auch wenn es »nur« Darsteller sind: Was mag es den Kindern antun, wenn man sie mit solchen Bildern stigmatisiert?

Die Geschichte von Elsa mag auf Tatsachen beruhen, sie wirkt jedoch mit ihren krassen Zuspitzungen und der grellen Inszenierung der animierten Passagen wie Kolportage. Hier hätte eher entschärft werden müssen – am besten für die Glaubwürdigkeit aber wäre wohl eine dokumentarische Basis aus Erzählungen von Betroffenen gewesen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Mann kann auch ohne diese Erziehung so eine einstellung bekommen, braucht nur n paar schlechte Erfahrungen mit Ausländern machen. Wenn man mit zuvielen davon aufwächst. Könnte auch mal erwähnt werden.

Wow, bisher nur ein Kommentar hier, der auch noch rassistische Erzählung stumpf reproduziert. Was soll das bedeuten "schlechte Erfahrungen mit Ausländern"? Hat die Person "schlechte Erfahrungen" mit Dän*innen oder US-Amerikaner*innen gemacht? Waren die weiss? Hat die Person sich die Ausweise zeigen lassen? Denn offensichtlich meint die Person, dass Rasssismus legitim sei und reproduziert rassistische Stereotype. Das zeigt einmal mehr, warum so eine Dokumentation, in der unreflektiert faschistische Rechtsextreme ihre Meinung offen sagen können, während als "wissenschaftliche Kommentatorin" aus dem Off eine Frau eingeblendet wird (Alice Blum), die vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus klar disqualifiziert wurde, da sie selbst in rechtsextreme Netzwerke verstrikt zu sein scheint und mit einem faschistischen IBler eine Liebesbeziehung hatte/hat. Mag sein, dass mal wieder die Idee gewesen ist, die Neue Rechte zu entlarven und zu überführen, aber leider vergessen die Akteure all zu gern, dass es nicht ausreicht, diese Leute einfach ihre Propaganda im Fernsehen reproduzieren zu lassen. Denn dann haben sie wieder neue Menschen erreicht, die für faschistische/rassistische/antifeministische/antisemitische Propaganda anfällig sind. Da wissenschaftlich klar belegt ist, dass diese Ideologie seit 1945 nicht verschwunden ist (u.a. die Mitte-Studien), ist es grob fahrlässig, so einen Film so wenig kritisch zu produzieren und zu zeigen. Aktuell sind mehr Leute denn je auf irgendwelchen ominösen Facebook- oder Telegramseiten unterwegs und ziehen sich faschistische Propaganda (Attila Hildmann/AfD/IB/etc.) rein, ohne diese als solche zu erkennen und sind der Meinung, ihr Rassismus und ihre Opfermentalität seien gerechtfertigt. Rassismus beispielsweise ist, das ist sozialwissenschaftlich ausführlich belegt, eine gesellschaftliche Machtbeziehung, ein Diskurs, der sich seit jahrhunderten durchgängig reproduziert und anpasst. Aktuell erleben wir das in Deutschland unter anderem gegen Asylsuchende, gegen Schwarze Deutsche (die nicht im Entferntesten "Ausländer" sind, das lässt sich u.a. bei Noah Sow nachlesen) und auch Antisemitismus und Antifeminismus(=Homo-/Trans-/Inter-/Frauenfeindlichkeit) allgegenwärtig. Leider wird Antifaschismus nicht mehr als Selbstverständlichkeit in einem demokratischen System (zumal mit unserer Vergangenheit und daher Verantwortung) verstanden, sondern teils sogar im Feuilleton bürgerlicher Presse abgewertet. Trotzdem meinen die in Opferhaltung schwelgenden Pseudo"Patriot*innen", es gäbe eine "linke Hegemonie" oder "die Presse" sei homogen. Ich kann nur hoffen, dass das Internet ein Tummelplatz für krisenhafte faschistische Männlichkeit ist und sich das in der analogen Welt etwas weniger dramatisch darstellt, ansonsten wäre der Satz "nie wieder" wirklich bloß noch inhaltsleere Phrase, die wenige Personen noch ernst nehmen, die sich tatsächlich um Gleichheit, kritischen Antifaschismus und mehr Demokratie bemühen. So viel Geschichtsvergessenheit ist nicht nur peinlich, sondern auch verantwortungslos und gefährlich.

@Feli: Sehr gute Kritik, nachvollziehbar und richtig.

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