Kritik zu Kirschblüten – Hanami

© Majestic Filmverleih

2008
Original-Titel: 
Kirschblüten – Hanami
Filmstart in Deutschland: 
06.03.2008
Heimkinostart: 
07.11.2008
L: 
127 Min
FSK: 
12

Auf ihrer vierten filmischen Reise nach Japan erkundet Doris Dörrie das Glück der Liebe, die Trauer über den Verlust und die Unmöglichkeit entspannter Familienbeziehungen

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

In Japan stehen Kirschblüten nicht nur für die Schönheit des Lebens, sondern auch für seine Vergänglichkeit. Um beides geht es im neuen Film von Doris Dörrie. Während es viele europäische Regisseure in das Kinotraumland Amerika zieht, strebt sie nach Japan, seit sie Anfang der achtziger Jahre mit ihrem ersten Film »Mitten ins Herz« auf das Filmfestival nach Tokio eingeladen wurde. Wenn sie jetzt, nach Erleuchtung garantiert, »Der Fischer und seine Frau« und der Dokumentation »How to cook your Life« zum vierten Mal eine filmische Reise dorthin unternimmt, dann spürt man auch, dass sie den fremden Zeichen und Ritualen nach der anfänglichen Verwunderung mit wachsender Selbstverständlichkeit begegnet, mit zunehmend entspannter Gelassenheit.

Auch Trudi träumt von Japan, von den geheimnisvollen Butohtänzern, dem schneebedeckten Gipfel des Fujijama und der üppigen Kirschblüte. Doch in der Wirklichkeit steckt sie an der Seite ihres behäbigen Mannes in einem Bauernhaus auf dem Dorf fest. Gerade hat sie erfahren, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist, und da sie sich entschieden hat, ihm das zu verschweigen, muss sie alleine versuchen, den Rest des gemeinsamen Lebens mit Sinn zu füllen. »Unternehmen Sie eine gemeinsame Reise«, hatte der Arzt geraten, und wenn Rudi schon nicht nach Japan will, dann fahren sie wenigstens nach Berlin, wo ihre beiden Töchter mit Familie und Lebensgefährtin leben. Doch obwohl Rudi und Trudi nicht wie hassenswerte Eltern anmuten, ist das Verhältnis zwischen den Generationen gespannt. Statt einer emotionalen Kür gleicht das Ganze einer schmerzlich verkrampften Pflicht. Unbefangen und offen kann nur die Lebensgefährtin der Tochter auf die beiden zugehen, die Nadja Uhl mit viel Herz und Berliner Schnauze spielt. Überhaupt gleicht die Besetzung dieses Films einem kleinen Wunder, mit einer bewundernswerten Hannelore Elsner und vor allem mit Elmar Wepper, der sich hier als wunderbar feinfühliger Schauspieler erweist, der dringend aus dem Fernsehseriengefängnis errettet werden sollte.

Doris Dörrie, die inzwischen selbst eine erwachsene Tochter hat, lotet hier das schwierige Verhältnis von Eltern und Kindern aus, ohne Antworten auf die irritierenden Fragen geben zu können. Nach dem unerquicklichen Familienbesuch flüchten Rudi und Trudi an die Ostsee, wo dann eines Morgens überraschend nicht der todkranke Rudi, sondern Trudi tot im Bett liegt.

Um seiner Frau zumindest spirituell nahe zu sein, beschließt Rudi nun, ihren Traum zu verwirklichen, und reist nach Tokio zu seinem Sohn. Auch hier begegnen sich die Generationen eher reserviert und verständnislos. Rudi irrt orientierungslos, aber neugierig durch die Welt der fremden Zeichen. So fügt er sich in eine ganze Reihe von älteren Männern, die das Kino derzeit auf Reisen schickt, in deren Verlauf sie den verlorenen oder nie entdeckten Sinn des Lebens finden. Wie Jack Nicholson und Horst Krause als Pensionäre in »About Schmidt« und »Schultze gets the Blues« oder auch Nicholson und Morgan Freeman als Todgeweihte in »Das Beste kommt zum Schluss« macht nun auch Rudi in der Fremde tröstliche Entdeckungen: Als seine Frau noch lebte, hat er ihre Begeisterung für die seltsamen Rituale des Butohtanzes als exaltierten Quatsch abgetan. Ein fremdes, junges Mädchen, das er in einem Park in Tokio trifft, öffnet seine Augen und Sinne. Durch sie lernt er, seiner Frau im Tode näherzukommen als im Leben.

Haarscharf schrammt der Film immer wieder an beklemmend peinlichen Situationen vorbei, wenn Rudi sich beispielsweise in seinem Trennungsschmerz den Rock und die Strickjacke seiner Frau überstreift, nimmt aber die Kurve dann doch jedes Mal wieder rechtzeitig. Aus der Begegnung mit der fremden Kultur entstehen ein paar ebenso stille wie ergreifende Szenen, etwa als Rudi für seinen Sohn Krautrouladen nach dem Rezept der Mutter macht, die so sorgfältig und zärtlich gewickelt sind, dass sie gar nicht mehr wie deutsche Hausmannskost anmuten, sondern wie noble japanische Kochkunst, oder wenn die Hinterbliebenen bei der Beerdigung nach japanischem Ritual die kremierten Knochen einzeln von der Bahre in eine Urne heben: ein Film also für alle Liebenden und Trauernden.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt