Kritik zu Kill Billy – Lebst du noch, oder war's das schon?

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Allein gegen Ikea: In Gunnar Vikenes Verfilmung will ein norwegischer Möbelhändler sich am schwedischen Megakonzern rächen, indem er dessen Gründer entführt

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In großen gelben Lettern auf blauem Grund leuchtet dem norwegischen Möbelhändler Harold der Name seines Schicksals in die Ausstellungsfenster. Sein beschaulicher Laden ist ein Relikt vergangener Zeiten. Plüschige Sofas und handgemachte Stühle sind nicht mehr zeitgemäß. Der Konkurrent ist übergroß und die Pleite nicht mehr abzuwenden. Dazu kommt, dass die Demenz seiner Frau Marny so zugenommen hat, dass eine Pflege zu Hause nicht mehr möglich ist. Und plötzlich steht Harold mit einem Koffer voller Erinnerungen, den er für seinen Sohn gepackt hat, in seinem leeren Möbelhaus und will alles verbrennen, was davon noch übrig ist. Einschließlich ­seiner selbst. Hätte er nur die Sprinkleranlage nicht vergessen. Also nimmt er den Koffer und fährt nach Schweden zu seinem Sohn. Dort will er den IKEA-Gründer Ingvar Kamprad entführen und die Familie für das erlittene Leid bezahlen lassen. Erstaunlich ist, dass ihm das tatsächlich gelingt. Doch wie es dann weitergeht, wundert am Ende niemanden mehr.

»Kill Billy« ist eine wunderbare kleine norwegische Geschichte, die sich ohne Hemmungen über die wohl bekannteste Firma des schwedischen Nachbarn hermacht und doch an keiner Stelle über die Stränge schlägt. Selbst wenn Harold die Schrauben des Ikea-Tischchens löst und erfreut dabei zusieht, wie er unter der Last eines Glases zusammenbricht, bleibt Ikea intakt. Böse will Regisseur Gunnar Vikene anscheinend nicht werden. Vielmehr ist sein Thema die Hilflosigkeit des Einzelnen angesichts eines übermächtigen Gegners, der sich genauso legitim auf den kapitalistischen Märkten bewegt wie er selbst. Und das Bild, das er von Ingvar Kamprad zeichnet, ist geradezu entzückend. Ein hagerer kleinbürgerlicher, geiziger Mann, der im krassen Gegensatz zu seinem global erfolgreichen Unternehmen steht. Insofern ist der Titel ein etwas flacher Kalauer zwischen Tarantino und dem deutsche Wohnungen überflutenden Schleiflack-Regal. Da kann der Film schon wesentlich mehr. Im Original heißt er »Her er Harold« (Here Is Harold) nach dem Roman von Frode Grytten, und der einfache, deskriptive Titel trifft die Stimmung dieses tragikomischen Films sehr gut.

Harold ist, wie er ist. Kein besonders schlagfertiger, kein besonders witziger Mann. Und doch ist es ein ungeheuer charmanter Film, leicht schräg mit großartigem szenischem Witz. Allein der Schäferhund, der vor dem Haus sitzt, in dem Kamprad angeblich wohnt... aber das muss man sehen. Wie überhaupt die skandinavische Landschaft, die Fahrten durch Schnee und Wind, die beiden Männer im Eis, eingebrochen in einen zugefrorenen See Bilder schaffen, an die man sich erinnert.

»Kill Billy« ist einer dieser untertourigen skandinavischen Filme, die von Island bis Finnland in unseren Ohren einen ähnlichen Ton anschlagen und bei aller Ähnlichkeit doch immer etwas fremd bleiben. Die wortkargen Charaktere, die etwas tumben Männer, die zackigen Frauen und immer wieder Tiere, Hunde meist, die etwas schräg in die Kamera blicken und signalisieren, dass sie es besser wissen.

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