Kritik zu The House That Jack Built

© Concorde Filmverleih

Sind Serienkiller Künstler oder Philosophen – das scheint Lars von Trier in seinem neuen Film zu fragen, in dem Matt Dillon eine Art polemischer Alter Ego zum Provokationen liebenden Regisseur gibt

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Was treibt einen Menschen zum Mord? Eine penetrante Mitfahrerin beispielsweise, deren Auto auf einer amerikanischen Landstraße stehen geblieben ist, und die nun Hilfe beim Reifenwechsel erbittet, aber nur einen kaputten Wagenheber hat. Jack (Matt Dillon) hat wenig Lust, ihr zu helfen, tut es dann aber doch widerwillig, bringt sie zur nahe gelegenen Werkstatt und lässt sich sogar noch dazu überreden, sie wieder zurückzufahren, wo erneut der Wagenheber bricht. Unablässig plappert die Frau in den mittleren Jahren, der Uma Thurman eine ­kapriziös überspannte Nervigkeit verleiht. Eigentlich sei es ja schon ganz schön fahr­lässig von ihr, zu einem Wildfremden ins Auto zu steigen, was, wenn er ein Serienkiller wäre? Schließlich kommt sie zum Schluss, dass er sowieso nicht Manns genug sei, um einen Mord zu begehen. Kann man schon verstehen, dass Jack irgendwann den Wagenheber nimmt und dem vorlauten Weibsbild über den Kopf zieht, dass das Blut nur so an die Windschutzscheibe spritzt.

Die beste Szene liefert der Film gleich am Anfang. Sie könnte die Wurzel allen Übels sein, der Moment, in dem ein eher unauffälliger Landarbeiter im Pick-up-Truck über die Klippen in den Abgrund getrieben wird. Was treibt einen Menschen zum Mord? Darum könnte es in so einem Film gehen, doch das ist leider eine Frage, für die sich Lars von Trier ganz gewiss nicht interessiert, weil er viel zu sehr damit beschäftigt ist, seinem eigenen Ruf als Enfant terrible, als notorischer Provokateur gerecht zu werden. Serienmord ist bei ihm nur eine Akkumulation von Provokationen, eine in Kapitel unterteilte Choreographie der Grausamkeiten, jeder Mord ein Kunstwerk, am Ende eine Installation aus gefrorenen Leichen.

Ein Mann blickt auf sein Leben zurück, in einer Art Jüngstem Gericht. Er rechtfertigt und brüstet sich aus dem Off, im Gespräch mit einem göttlichen Gegenüber, dem Bruno Ganz seine wissend sonore Stimme verleiht. Beeindrucken oder gar berühren lässt der sich nicht, alles schon unzählige Male gehört. Über zwölf Jahre hinweg rekapituliert Jack an fünf verschiedenen Mordfällen entlang seinen Serienkiller-Werdegang. Die Zufälligkeit der Opferauswahl kontrastiert mit der drastischen Methodik des Mordens, und die an Dummheit grenzende Naivität der Opfer mit den Zwangsneurosen des Täters: So wie andere damit hadern, ob Toaster oder Herd ausgestellt sind, geht es ihm mit den Spuren seiner Morde. Könnte da nicht doch noch ein Spritzer Blut unter dem Stuhlbein gewesen sein? Immer wieder treibt es ihn zurück an den Tatort, auch noch als die Polizei schon am Anrücken ist.

Das Amerika, das in den Planspielen von »Dogville« und »Manderlay« noch ein anonymer Ort aus Kreidestrichen in einer Studiohalle war, ist zwar auch hier immer noch im heimatlichen Dänemark zusammengebastelt. Doch die Kulissen, eine Autowerkstatt, kleine Häuser, eine Kühlhalle sind Orte, die es so oder ähnlich im gesichtslosen Nordwesten Amerikas geben könnte. Die Ausstatter haben sie auf ähnliche Weise konstruiert wie Lars von Trier seine Filmkapitel, ohne echtes Interesse an seinen Figuren, an ihren Entwicklungen und Motiven.

Ähnlich wie »Nymphomaniac« ist auch »The House That Jack Built« in Kapitel unterteilt, die darüber hinaus mit kultur­geschichtlichen Einschüben gewürzt sind, Glenn Gould am Klavier, die Bilder von William Blake, eine Raubkatze auf der Jagd, dazu mehrere Selbstzitate, sogar Hitler bekommt seinen kleinen Auftritt, fast so, als wolle von Trier noch mal nachlegen, nach seiner unsauberen Bemerkung, die ihm vor sieben Jahren die Verbannung aus dem Cannes-Zirkel bescherte. Mit seinen Zwangsneurosen und seiner Provokationslust ist Jack leicht als Alter Ego des Regisseurs ­erkennbar. So wie er in »Nymphomaniac« die kreativen Prozesse von Kunst und Sex in ­Beziehung gesetzt hat, tut er es jetzt mit Kunst und Mord. Nur dass Lars von Trier seine perfiden Mordkunstwerke wohl lediglich vor der Kamera und nicht in der Wirklichkeit inszeniert.

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