Kritik zu Haunted

Trailer OmeU © Mec Film

2014
Original-Titel: 
Maskoon
Filmstart in Deutschland: 
24.11.2016
L: 
112 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Die syrische Regisseurin Liwaa Yazji lässt in ihrem Dokumentarfilm zwischen ­Ästhetik und rauer Unmittelbarkeit neun Menschen zu Wort kommen, die in ­Damaskus leben beziehungsweise gerade aus der Stadt geflohen sind

Bewertung: 3
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»Das Haus, vor dem dein Vater erschossen wurde, ist nicht mehr dein Haus«, sagt ein junger Mann, der aus Damaskus nach Beirut geflohen ist und doch keine Ruhe findet. Die Flucht ist nun ein Teil von ihm, ein Ankommen ist (noch) unmöglich. Vier- bis fünfmal hin und her, zwischen Damaskus und Beirut, immer auf der Suche nach Sicherheit und einem bescheidenen Auskommen, in einer zerrütteten Gesellschaft, so sieht das Leben vieler syrischer Flüchtlinge aus.

Für ihr Filmdebüt hat die syrische Regisseurin Liwaa Yazji Menschen besucht und dazu gebracht über ihre Lebensrealität zu reden. Trotz des andauerndes Krieges und der völlig zerschossenen Straßenzüge in Damaskus ist die Bedrohung nicht bei allen unmittelbar. In der Sicherheit des libanesischen Exils trifft sie Menschen, die alles zurückgelassen haben – bis auf ihre Würde. Ein junges Mädchen aus gutem Hause vermisst ihren Spiegel. Jeden Morgen hat sie darin überprüft, ob ihre Vorstellung von sich selbst mit dem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmt. Umsichtig geschminkt, mit Kopftuch und Schal ist sie ausgesprochen schön. Umso stärker wirkt der Kontrast. Ein anderes Paar lebt in der Sperrzone. Sie kann Liwaa Yazji nur per Skype interviewen. Die verzerrten Fernsehbilder die unter dem grellen Licht einer Neonröhre zu flimmern beginnen, sind auch ein Mittel, die Bedrohlichkeit der Situation zu verdeutlichen. Und zwischen den Gesprächen, den manchmal heiteren, manchmal verschreckten oder resignierten Tönen, zeigt sie gestochen scharfe Bilder der Zerstörung. Dann wird die Kamera ganz ruhig und verharrt fassungslos vor dem, was nicht mehr ist. Und bei allem Leid, was wir darin zu erkennen glauben, sind diese Bilder schön, strahlend und irgendwie erhaben.

Liwaa Yazjis Film besteht im Grunde aus zwei Teilen. In dem einen breitet sich das Leben aus, wenn es zum Überleben wird. Was bleibt noch von einem Subjekt, wenn man ihm das Umfeld nimmt? Wenn der Lebensraum nicht mehr lebenswert ist und die Zukunft nur noch die Angst davor ist. Was bedeutet Flucht, wenn man keine Zuflucht findet und das Ziel bald schon wieder Grund gibt zu gehen? Wie kann man sich selbst erhalten, wenn keine Hoffnung mehr besteht?

Der andere Teil ist stumm. Bilder von eingefallenen Gebäuden, Trümmerhalden und zerschossenen Wänden, mal im Gegenlicht, mal im tiefen Schatten. Hoch ästhetisch, kunstvoll in Licht und Format, so harmonisch, dass jede Bedrohlichkeit verschwindet. Im Kontrast aber wohnt das Leid. Der Krieg wird in seinem Effekt gezeigt, in seiner Unerklärbarkeit. Und ein Ende ist noch immer fern. 2014 wurde der Film produziert, nun, nach zwei Jahren, kommt er in unsere Kinos. Dazwischen liegt die sogenannte Flüchtlingskrise. Die Situation in Syrien hat sich nicht gebessert. Liwaa Yazji findet den richtigen Ton, der vor allem die Würde der Menschen dort respektiert. Und doch ist er anstrengend zu schauen. Die Männer, Frauen und Kinder bleiben uns fremd. Gern hätte man mehr erfahren von ihrer Geschichte, um sich einzufühlen in ihr Schicksal.

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