Kritik zu Green Book – Eine besondere Freundschaft

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Peter Farrelly inszeniert ­die ­Geschichte einer Annäherung zwischen einem prolligen italoamerikanischen Türsteher und einem hochgebildeten afroamerikanischen Pianisten auf einer heiklen Tournee im ­segregierten Süden der USA zu Beginn der 60er Jahre

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3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Allein schon die erste Begegnung: Der italoamerikanische Rausschmeißer Tony Lip will sich für einen Job als Fahrer bewerben, und dann thront dieser Dr. Don Shirley im Luxusapartment über der Carnegie Hall auf einem großen goldenen Stuhl wie ein afrikanischer König im bunt gemusterten Kaftan. Hier die Mafia­gewalt auf den Straßen der einfachen Leute, dort die Hochkultur in den Konzertsälen. Hier der einfache weiße, recht unverhohlen rassistische Türsteher im Kunstfaserhemd, dort der schwarze Weltklassepianist im Smoking. Nicht gerade ein match made in heaven, sondern eher eine pragmatische Zweckgemeinschaft: Tony ist arbeitslos, weil der Nachtclub, in dem er angestellt war, wegen Renovierung einige Monate geschlossen bleibt. Und Shirley plant eine Tournee durch die Südstaaten, ein riskantes Unterfangen, denn Anfang der 60er Jahre darf er dort häufig zwar als gefeierter Musiker für hohe Gagen vor erlesenem Publikum spielen, aber bitteschön nicht vorher am Nachbartisch im Restaurant speisen. Er braucht also nicht nur einen Chauffeur, sondern vor allem einen Leibwächter auf der Route, die vom »Green Book« definiert ist: Der schwarze Postbote Victor H. Green hatte die erste Ausgabe des »Negro Motorist Green Book« 1937 ­verfasst, einem Reiseführer, der Restaurants, Hotels, Pensionen und Friseure verzeichnete, in denen schwarze Touristen willkommen waren. Die letzte Ausgabe erschien Mitte der 60er Jahre. Auch wenn der Film von einem nos­talgischen Schimmer überzogen ist, im warmen Licht der Swinging Sixties erstrahlt und den Glanz regennasser Straßen und schnittig chromblitzender Autos zelebriert, lässt Peter Farrelly keinen Zweifel daran, dass seine Nostalgie nicht dem Rassismus im damaligen Amerika gilt.

»Green Book« ist dabei nicht mit den zotigen Komödien zu verwechseln, die Peter Farrelly zusammen mit seinem Bruder Bobby gedreht hat, darunter »Dumm und Dümmer«, »Verrückt nach Mary« oder »Schwer verliebt«. Dafür trifft »Green Book«, der auf realen Erlebnissen basiert (das Drehbuch hat Tony Lips Sohn Nick zusammen mit Farrelly verfasst), einen Ton, der von den frühen 60er Jahren in die Gegenwart strahlt und dabei den alltäglichen Rassismus ohne schulmeisternde Attitüde aufs Korn nimmt.

Was den Film über die Klischeehaftigkeit seiner Konstruktion erhebt, sind neben der stimmigen Sinnlichkeit der Locations die beiden Schauspieler mit ihrem feinen Humor und ihrer doppelbödigen Ironie. Schon in der physischen Erscheinung bilden sie einen schönen Kontrast. Viggo Mortensen
hat sich für diese Rolle den massigen Pasta-Bier-Body eines italoamerikanischen Familienvaters angefressen, tariert seine ungehobelte Arbeiterklassen-Attitude aber mit so viel Menschlichkeit aus, dass man irgendwann vergessen kann, dass er am Anfang des Films zwei Wassergläser, aus denen schwarze Handwerker getrunken haben, allen Ernstes im Mülleimer entsorgt. Dagegen erweist sich die betont coole und steife Fassade von Mahershala Alis Kulturaristokraten bald als Panzer gegen die Anfeindungen von außen, nicht nur wegen Hautfarbe und sexueller Orientierung, sondern auch wegen seiner Bildung. »Wenn ich nicht schwarz genug und nicht weiß genug bin, dann sag mir doch, Tony: Was bin ich?«

Natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass zwei Menschen, die miteinander reden, relativ schnell merken, dass ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen gar nicht so unterschiedlich sind. Trotzdem ist es berührend, ihnen dabei zuzusehen, wie sie einander inspirieren, und komisch, wie sie mit ihren eigenen Vorurteilen ringen und sich dabei gegenseitig den Horizont erweitern. So bringt Tony dem klassischen Musiker die Vergnügungen eines Kentucky Fried Chicken aus dem Pappbecher nahe, während Don ihm beim Verfassen von Liebesbriefen an die zu Hause gebliebene Frau hilft, damit die etwas romantischere Formulierungen beinhalten als: »Manchmal erinnerst du mich an ein Haus …«

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