Kritik zu Good Fortune – Ein ganz spezieller Schutzengel
Ein zweitklassiger Schutzengel (Keanu Reeves) will einem abgehalfterten Ex-Assistenten (Aziz Ansari) auf die Beine helfen – und verzettelt sich gehörig. Bis er die sinnlichen Vorzüge des irdischen Daseins für sich entdeckt
Wenn Engel auf die Erde herabsteigen, dann meist, um den Hoffnungslosen und Bedürftigen unter die Arme zu greifen. In vielen Punkten erinnert der von Keanu Reeves gespielte Engel Gabriel an Clarence, den Engel zweiter Klasse aus Frank Capras »Ist das Leben nicht schön?«. Zwar trägt Gabriel schon Flügel, doch es sind quasi Kinderflügel, seine richtigen muss er sich erst noch verdienen. Er ist die Fließbandarbeiterversion eines Engels, mit der niederen Aufgabe, all den unvernünftigen Menschen, die beim Autofahren texten, im richtigen Moment auf die Schulter zu klopfen, so sie dass das Schlimmste gerade noch verhindern können. Dabei trifft er auf den prekär in seinem Auto lebenden Arj (Aziz Ansari), für den er gerne mehr tun würde, der sich dann aber auch beschwert, dass er sich nun auch noch mit der Budgetversion eines Schutzengels begnügen muss. Ein besonderer Coup des Films ist, dass Gabriel von Keanu Reeves gespielt wird, der auch in der Realität einen engelsgleichen Ruf hat, nicht nur U-Bahn fährt, sondern dort auch für Schwangere aufsteht, und der der unterbezahlten Stunt-Crew seines Films eine Runde Harley Davidsons ausgibt.
In seinem Regiedebüt verbindet der amerikanische Komiker und Schauspieler Aziz Ansari ernst gemeinte Gesellschaftskritik mit Situationskomik. Inspiriert ist er dabei von realen Erfahrungen als Sohn indisch-tamilischer Einwanderer ebenso wie von fiktionalen Engelsgeschichten von Regisseuren wie Ernst Lubitsch, Frank Capra und Preston Sturges. Nach dem Vorbild von Capras Clarence schickt sich auch Gabriel an, seinem Schützling vorzuführen, dass sein Leben viel mehr wert sei, als er realisiert, und dass Reichtum nicht glücklich macht. Diese hübsche Theorie freilich hält der Praxis nicht wirklich stand: Natürlich ist es für Arj deutlich angenehmer, nach einem magischen Tausch mit dem Start-up-Milliardär Jeff (Seth Rogen), der ihn wegen einer Lappalie als persönlichen Assistenten gefeuert hatte, in dessen Luxusvilla zu hausen, statt prekär im Auto zu leben und drei Hilfsjobs zu bestreiten. Statt sich zu schämen und zu verstecken, kann er rauschende Partys feiern und die Supermarkt-Angestellte Elena (Keke Palmer) beeindrucken. Kein Wunder, dass er keine Lust hat, nach der 7-Tage-Probephase wieder ins eigene, klägliche Leben zurückzukehren, und nach einem Unfall einfach so tut, als leide er an Amnesie. Weil Gabriel seine Kompetenzen überschritten hat, muss er die Miniflügel und den Trenchcoat abgeben, den Wim Wenders in »Der Himmel über Berlin« als Engelsuniform etabliert hat. Und wie der von Bruno Ganz gespielte Engel entdeckt auch Gabriel die sinnlichen Vorzüge des irdischen Lebens und entwickelt ein Faible für Fastfood, Kettenrauchen und Tanzen.
Es ist immer ein großes Kinovergnügen, zu beobachten, wie ein Wesen aus anderen Sphären, ob Alien oder Engel, mit kindlicher Entdeckerfreude die menschliche Lebensform erkundet und imitiert. In »Good Fortune« wechseln gleich zwei Menschen und ein himmlisches Wesen die Perspektive und sammeln dabei ein paar durchaus toleranzfördernde Erkenntnisse.
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