Kritik zu Die Wache

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Benoît Poelvoorde verhört als Kommissar einen Verdächtigen, den er für einen Mörder hält. Was als Krimi-Klassiker beginnt, verrutscht nach und nach zur Groteske über Polizeigewalt und die Absurdität eines Genres

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Louis Fugain hat einen Fehler begangen. Das sagt ihm selbst eine Polizistin. Als er eines Nachts vor dem Eingang des Hauses, in dem er wohnt, die Leiche eines Mannes gefunden hatte, rief er die Polizei. Das hätte er auf keinen Fall tun sollen. Denn nun steckt er fest in den Mühlen eines Systems, aus dem es für ihn kein Entrinnen mehr gibt. Drei Tage sind seit seinem Fund vergangen, drei Tage, in denen sich Kommissar Buron in seine Theorie verbissen hat. Für ihn stimmt etwas nicht mit Fugains Aussage. Er ist fest davon überzeugt, dass Fugain die Leiche nicht nur gefunden hat. Er hält ihn auch für den Mörder. Also hat Buron ihn einbestellt und verhört ihn nun. Wieder und wieder stellt er die gleichen Fragen. Jedes Mal muss Fugain seine Geschichte von neuem erzählen und nie reicht es dem Kommissar.

Die Situation ist nicht neu. Der Kommissar und der Verdächtige, die sich in einem engen Raum gegenüber sitzen und sich in ein Katz-und-Maus-Spiel verstricken, gehören im Krimi-Genre zu den immer wiederkehrenden Figuren. Die wohl düsterste Variante davon hat Sidney Lumet 1973 mit »Sein Leben in meiner Gewalt« präsentiert. Von der Härte, die dieses düstere Porträt einer zutiefst männlichen Brutalität kennzeichnet, ist Quentin Dupieux' »Die Wache« weit entfernt. Anders als Lumet oder auch Claude Miller, der mit seinem Film »Das Verhör« auch zu den Paten dieser ins Absurde ragenden Komödie gehört, sieht Dupieux in der stark formalisierten Verhörsituation vor allem einen Rahmen für spielerische Freiheiten.

Was Fugain (Grégoire Ludig) über die Nacht erzählt, in der er den Toten entdeckt hat, ist so banal, dass sich selbst der Kommissar unendlich langweilt. Aber Dupieux gelingt es dennoch, diesen Alltäglichkeiten einen besonderen Zauber zu verleihen. Er erzählt sie nicht einfach als Rückblenden. Sie verwandeln sich in begehbare Alltagsinstallationen, in denen plötzlich Figuren auftreten können, die im fraglichen Moment gar nicht anwesend waren. Die Nacht vor drei Tagen und die Ereignisse während des Verhörs fließen ineinander. Gedanken und Erinnerungen, Ängste und Schuldgefühle vermischen sich in diesen Szenen, die direkt aus Fugains Kopf herauszufließen scheinen, auf eine irrwitzige Weise.

Doch das Lachen angesichts der immer abstruseren Wendungen bekommt recht bald einen hysterischen Unterton. Natürlich fällt es schwer, einen Polizisten wie Benoît Poelvoordes Kommissar Buron wirklich ernst zu nehmen. Dafür schreit alles an ihm Karikatur, seine aus der Zeit gefallenen Klamotten ebenso wie sein aufgesetzter Hardboiled-Ton. Dupieux und Poelvoorde überzeichnen den Polizisten, der auf seine viel zu nachsichtigen Kollegen herabsieht und sich als einsamer Wolf gibt, bis ins Groteske. Aber letztlich betont gerade Burons Lächerlichkeit seine ungeheure Macht. In dem absurden Verhör, das, je länger es währt, immer verrücktere Volten schlägt, wird er zu einem kafkaesken Repräsentanten einer höheren Instanz, die Fugain niemals verstehen wird, der er aber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.

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