Kritik zu Der Medicus 2
Das Spätsequel zu Philipp Stölzls Historienhit lebt von soliden Schauwerten, konfliktreichem Plot und einem hochkarätigen Ensemble
Europa im Mittelalter: Weder Hygiene noch Wissenschaft haben Konjunktur. Die Menschen fallen zuhauf Seuchen und Unfällen zum Opfer. Das Wissen über den menschlichen Körper und seine Funktionen ist nicht besonders ausgeprägt und wird auch aus religiösen Gründen unterdrückt. So gilt etwa die Sektion von Verstorbenen als Leichenschändung. Wo Wissenschaft und Medizin derweil erblühen, ist der Orient.
Der amerikanische Autor Noah Gordon schrieb darüber 1986 seinen Bestseller »Der Medicus«: Im 11. Jahrhundert geht der Waise Rob Cole bei einem sogenannten Bader in die Lehre – einer Mischung aus fahrendem Gaukler, Apotheker und Unfallchirurg. Gemeinsam ziehen sie durchs Land und verkaufen der leichtgläubigen Bevölkerung Tinkturen und Pülverchen, deren Wirksamkeit bestenfalls fragwürdig ist. Doch Rob erfährt von der weitaus fortschrittlicheren Heilkunst im Nahen Osten und reist nach Isfahan in Persien, um sich diese Kenntnisse anzueignen.
2013 verfilmte Philipp Stölzl den Roman, drei Millionen Zuschauer sahen den Film im Kino. Zwölf Jahre später läuft die Fortsetzung an, wieder mit Tom Payne in der Hauptrolle des jungen Arztes. Wie im Buch kehrt Rob Cole eines Tages nach Großbritannien zurück. Im Schlepptau eine Interessengemeinschaft aus jüdischen Heilkundlern und muslimischen Hakims, die dem Königshaus ihre Dienste anbieten. Dort stoßen sie auf den Widerstand der Hofärzte, die außer Aderlass und Buße kaum Besteck in ihrem Erste-Hilfe-Kasten haben. Als Cole jenseits der Stadtmauern ein Pop-up-Spital eröffnet und die Menschen tatsächlich heilt, wird die Obrigkeit hellhörig. Der Souverän selbst (herrlich griesgrämig: Liam Cunningham) installiert Cole als neuen Leibarzt. Als der sich jedoch daranmacht, die unter Psychosen leidende Königstochter und Thronerbin zu heilen, durchkreuzt er die Pläne der sinistren Königsgattin Mercia.
Das späte Sequel schreibt die Geschichte anders fort als der Roman. Zwischen Aberglauben und Wissenschaft, Kelten und Christen entspinnt sich ein Spiel voller Intrigen, Schwertkämpfe und zwielichtiger Charaktere mit soliden Schauwerten. Im hochkarätigen Ensemble besticht vor allem Emily Cox (»The Last Kingdom«) als Gotteskriegerin Mercia, die dem Land Tod und Zerstörung bringt, während Rob an dessen Heilung laboriert.
Leider verliert Stölzl in der zweiten Hälfte den medizinischen Aspekt aus den Augen, der den Medicus interessanter macht als übliche Historienfilme. Cole muss nun nicht nur körperliche Gebrechen heilen, sondern auch die Opposition gegen die böse Königin organisieren und die geschundenen Seelen einer gespaltenen Nation verarzten. Den Triumphzug der modernen Medizin opfert das Drehbuch einem holprigen Brückenschlag zwischen Psychiatrie und Esoterik. Doch trotz kreativer Abweichungen von historischen Fakten und einer Aneinanderreihung vorhersehbarer Wendungen wird man bis zum hanebüchenen Finale grundsätzlich gut unterhalten.




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