Kritik zu Das Geheimnis von Neapel

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Eine vielleicht allzu glückhafte amouröse Begegnung wird zum Ausgangspunkt für einen Mystery-Thriller über Identität, Erinnerung und die Magie einer Stadt

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Es ist zu schön, um wahr zu sein, was Adriana widerfährt: Auf einer eleganten Party lernt die nicht mehr ganz junge, einsame Gerichtsmedizinerin einen verdammt gutaussehenden jüngeren Mann kennen, der es unverhohlen auf eine Liebesnacht mit ihr anlegt. Diese verläuft dann auch angemessen rauschhaft. Am nächsten Morgen wird es noch verheißungsvoller: »Du kannst für mich sein, was du willst: Freundin, Gefährtin, Verlobte Je mehr, desto besser«, säuselt der immer noch verdammt gutaussehende Andrea.

Bereits in den Minuten zuvor allerdings hat der türkisch-italienische Regisseur Ferzan Ozpetek (»Hamam – Das türkische Bad«, »Männer al dente«) einen Stil überhöhter Künstlichkeit und schwelgerischer Glätte etabliert, der gegen jedes Bild misstrauisch macht. Ein elegantes Spiel mit Genreklischees, mit Oberflächen und ihren blutigen Bruchstellen – à la Brian de Palma vielleicht – deutet sich an, findet aber kaum zur Entfaltung in einer Konstruktion, die wenig Spannung zulässt. Dass der schöne Andrea nicht zur Verabredung in Neapels archäologischem Museum erscheint, stattdessen aber ein paar Stunden später auf Adrianas Tisch in der Gerichtsmedizin landet, bestialisch ermordet und ohne Augen, ist zumindest für den Zuschauer keine große Überraschung.

Bald aber erspäht Adriana den vermeintlich Toten in Neapels Gassen, dann sogar in ihrem Garten – oder bildet sie sich das nur ein? Ist es vielleicht ein Zwillingsbruder Andreas? Während Adriana selbst des Mordes verdächtigt wird, verirrt sie sich in einem Labyrinth aus Widersprüchen und befremdlichen Erinnerungen. Denn irgendetwas scheint der Fall auch mit ihrer eigenen Familie und einem dunklen Geheimnis aus ihrer Kindheit zu tun zu haben.

Der Endpunkt dieser Mischung aus Mystery und Napoli noir bleibt zwar erfreulicherweise mehrdeutig, doch der Weg dorthin ist viel zu durchsichtig, auch zu unlogisch. Mit einer Vielzahl von Symbolen, mit Doppelungen und Spiegelbildern gespickt, schwelgt der Film in seinem eigenen Bilderreichtum. Das strahlt zwar auf den ersten Blick Eleganz und Sinnlichkeit aus, wirkt letztlich aber prätentiös.

Auch die Versatzstücke neapolitanischer Folklore und Kunstgeschichte scheinen in den Hochglanzbildern des Films wie eingesperrt, im Zusammenspiel mit schablonenhaften Figuren mehr gezwungen als zwingend. So scheint Adrianas gesamtes Umfeld aus Menschen zu bestehen, deren Existenz sich darin erschöpft, typische Neapolitaner und irgendwie kunstaffin zu sein. Keine Spur von glaubhafter sozialer Wirklichkeit erdet die Figuren. Nur Adriana selbst gewinnt ­inmitten all der Künstlichkeit wenigstens ­etwas Kontur. Ihre Sehnsucht und ihr Schmerz, ihre Zweifel in der eigenen Wahrnehmung verleihen zumindest einzelnen Szenen eine gewisse Intensität – auch dank Hauptdarstellerin Giovanna Mezzogiorno. Die zweite Hauptdarstellerin Neapel hingegen ist zwar wunderbar ins Bild gesetzt; aber leider bleibt der Blick des Films zu touristisch, um sie zu einer eigenständigen Per­sönlichkeit zu entwickeln.

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