Kritik zu Charlie Bartlett

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2007
Original-Titel: 
Charlie Bartlett
Filmstart in Deutschland: 
26.06.2008
L: 
97 Min
FSK: 
12

Der Titelheld ist ein typischer Sonderling: als Schüler und Knabe aus reichem Haus längst ein Fall für den Psychiater. Doch dann dreht er den Spieß um und spielt selbst den Seelenklempner seiner Mitschüler

Bewertung: 3
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Das ist ein Subgenre des Teenagerfilms: die skurrilen Komödien über charmante jugendliche Grenzgänger und Unruhestifter. »Harold und Maude« könnte man zu diesem Subgenre zählen, aber auch »Ferris macht blau« mit Matthew Broderick. Zum größten Teil stehen also Jungs im Mittelpunkt dieser rebellischen Coming-of-Age-Komödien, die sich zwischen schwarzem Humor und Feel-Good-Atmosphäre bewegen.

Der jugendliche Antiheld von Jon Polls Film fliegt gleich zu Anfang von einer teuren Privatschule, weil er – durchaus kreativ und geschäftstüchtig – gefälschte Führerscheine an seine Mitschüler verkauft hat. Charlie Bartlett heißt er, der blasse Junge aus reichem Haus.

Und dieser Name erinnert schon ein wenig an »Bartleby«, die berühmte Kurzgeschichte von Herman Melville, in der ein junger Mann gar nichts mehr sagen will. Auch bei Bartlett hat man immer wieder die Befürchtung, das Komische und Kreative könnte ins Kafkaeske kippen. Von diesem Suspense lebt der Film.

Nach seinem Schulrauswurf wird der Titelheld von seiner legeren, superreichen Mama wieder ins traute Villenheim zurückgeholt. Diese Mama namens Marilyn, großartig gespielt von Hope Davis, ist eine so versponnene und sinnliche Übermutter, dass selbst Hitchcock an ihr Freude gehabt hätte. Während diese Mutter übrigens ihren Ehemann vermisst, verdrängt ihn der Sohn aus seinem Bewusstsein. Der superreiche Dad nämlich verbüßt eine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung. Geschäftstüchtigkeit kann also böse Nebenwirkungen haben. Und so wird Charlie Bartlett sein eigenes geniales Gefühl fürs Business stets auf ganz eigennützige Weise gemeinnützig einsetzen: um anerkannt zu werden und zum sympathischen Anführer einer Gemeinschaft zu werden.

Letztendlich ist Charlie Bartlett eine Art perfider, an eine Frank-Capra-Figur erinnernder Held für und gegen die Bush-Ära. Der Sonderling wird nach all seinen Eskapaden von keiner Privatschule mehr akzeptiert, nur noch eine ganz normale öffentliche Schule steht ihm offen. Und da heißt es, sich erst mal durchzusetzen gegen Rowdys und Proleten, die Charlie als Schnösel und Schwuchtel abstrafen. Nach einigen schmerzlichen Erfahrungen weiß der Außenseiter aber Rat. Er, der alle Neurosen dieser Welt schon gut zu kennen scheint und standesgemäß längst in psychotherapeutischer Behandlung ist, macht sich selbst zum Psychodoktor seiner Mitschüler. Auf der Toilette der Schule richtet er eine Medikamentenausgabe ein: von Prozac über Retalin bis hin zu Haldol kann er alles anbieten. Doch schon bald merkt er, dass seine Mitschüler – und auch er selbst – mehr brauchen als bunte Pillen. Er wird zum aufmerksamen Zuhörer, pragmatischen Seelenheiler und schließlich sogar zum beliebtesten Schulsprecher.

Das alles bringt ihn wiederum in Konflikt mit Schulleiter Gardner, der jedoch selbst Probleme ohne Ende hat. Als alleinerziehender Vater seiner rebellischen Tochter Susan, die sich längst in Charlie Bartlett verliebt hat, ist dieser Gardner nie über die Trennung von seiner Frau hinweggekommen. Auch als Schulleiter scheint der Alkoholiker ein Versager zu sein. Robert Downey Jr. spielt ihn famos als Sonderling-Senior. Der bizarre Showdown zwischen Charlie und Gardner in der vernachlässigten Villa des Lehrers gehört zu den Höhepunkten des Films. Trotz eines vielversprechenden Drehbuchs und einer soliden Inszenierung vermag aber Jon Polls Komödie der Neurosen nicht ganz zu überzeugen. Vielleicht liegt es daran, dass Anton Yelchin als Charlie Bartlett und Kat Dennings als sein Sweetheart Susan zwar ein schönes und schräges Paar abgeben, aber die komplexen Rollen nicht ganz tragen können. Sie werden von den »Oldtimern« Hope Davis und Robert Downey Jr. in jeder Beziehung in den Schatten gestellt.

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