Kritik zu Blauer Himmel Weiße Wolken

© Barnsteiner Film

2022
Original-Titel: 
Blauer Himmel Weiße Wolken
Filmstart in Deutschland: 
25.05.2023
L: 
91 Min
FSK: 
6

Astrid Menzel dokumentiert, wie sie mit ihrer Großmutter auf eine zehntägige Kanutour geht, nachdem diese infolge des Tods ihres Mannes einen Demenzschub erlitten hat

Bewertung: 1
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

»Was macht Oma dann ohne dich?« – »Das ist Sache von euch, den drei Kindern und Enkeln«, sagt der von der Enkelin befragte chronisch kranke Großvater. Diese wiederum sagt selbst deutlich, sie könne sich ein Leben ohne »Väterchen« an ihrer Seite nicht vorstellen, fügt sich mit Hamburger Stoizismus aber in die Verhältnisse. Einige Filmminuten später ist der Großvater gestorben, was laut Kommentar bei seiner Ehefrau einen heftigen Schub von Demenz auslöste. Und die drei Kinder beschließen, dass die Oma aus dem vollgestellten, aber luftigen, nach dem Krieg gebauten Haus mit schönem Garten und überdachtem Pool in Wedel bei Hamburg in ein Altersheim umziehen soll. Bald setzen sie diese Entscheidung auch um. 

Enkelin Astrid Menzel, die Autorin und Regisseurin dieses Films ist, gibt sich mit dieser Entscheidung einverstanden, hat aber doch ein schlechtes Gewissen, die Oma allein im Heim zu lassen. So holt sie sie erst für einen Urlaub zu sich nach Portugal. Später fasst sie den Plan, die Großmutter gemeinsam mit dem jüngeren Bruder auf eine zehntägige Kanutour durch Norddeutschland einzuladen. Diese sagt nach einigem Zaudern auch zu, obwohl ihr wohl kaum ganz klar sein dürfte, auf welch tollkühne Unternehmung mit täglich wechselnden Unterkünften, Bahntransfer und anderen Beschwerlichkeiten sie sich wirklich einlässt.

Beim Champagner-Anstoßen zur Bootstaufe gibt Oma noch die Patriarchin. Doch den Tod ihres Ehemanns hat sie vergessen. Als am nächsten Tag die Tour losgeht, wird schnell deutlich, dass sie sich an ihre eigene Zustimmung zu dieser Reise nicht mehr erinnert. Und es scheint so, als hätte die Enkelin das Problem nicht bedacht, mit einer dementen Person verbindliche Absprachen zu treffen (»Wenn du irgendwann sagst, du hast keine Lust mehr, wäre das ein bisschen blöd«). Jedenfalls sind trotz des zugewandten und liebevollen Umgangs miteinander zunehmende Verunsicherung und Stress bei der Großmutter nicht zu übersehen, die die schönen titelgebenden Wolken wohl lieber entspannt aus der Hollywood-Schaukel angeschaut hätte. Lange vor Hälfte der Tour schon spricht sie von dem Wunsch der Rückkehr in ein Zuhause, von dem sie nicht genau weiß, wo es ist. Dann eskaliert während eines nächtlichen Gewitters die Situation im Hotelzimmer und Papa muss einspringen und Oma mit der Segeljacht abholen.

Am Ende ist der Film das unter zweifelhaften Umständen zustande gekommene Dokument eines zweifelhaften Experiments an einem Menschen, der unter zweifelhaften Umständen sein Ja gegeben hat. Besonders befremdlich dabei, dass der Elefant im Raum zwar angesprochen, aber nie erklärt wird: nämlich die familiären Beziehungen jenseits der Oma-Enkelin-Ebene. Warum ließ sich in einer nicht ganz kleinen und nicht ganz armen Familie keine Lösung finden, die Oma für ihre verbliebene Lebenszeit in der vertrauten Umgebung zu betreuen? Die eingesprochenen Erläuterungen der Enkelin schildern zwar detailliert die eigene Befindlichkeit, schweigen aber zu dieser zentralen Konstellation.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt