Kritik zu Benedetta

© Koch Films

Nach einer wahren Geschichte... Paul Verhoeven erzählt von einer lesbischen Nonne im 17. Jahrhundert. Und das ist gar nicht so kinky, wie es sich anhört

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Es kann ein schmaler Grat sein zwischen Blasphemie und Gottesfürchtigkeit, und genau auf diesem balanciert Paul Verhoeven, der sich für Religion interessiert, aber nicht gläubig ist. »Ich glaube nicht an die Religion, sondern an die Wissenschaft«, sagt er. »Die Wissenschaft sagt mir, dass Jesus einfach nur ein besonderer Mensch war, so wie Einstein und Mozart. Indem er statt ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ sagte ›liebe deine Feinde‹ begründete er eine völlig neue Ethik! Und die Parabeln, die er aufgestellt hat, waren großartige Geschichten, wahre Poesie!« Als Ergebnis seiner Auseinandersetzung damit, wer Jesus wirklich war und was er tatsächlich gesagt haben könnte, veröffentlichte er 2008 unter dem Titel »Jesus of Nazareth« ein Buch, in dem er sich intensiv mit seinem Leben und seinen Gedanken auseinandergesetzt hat. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass Verhoeven fasziniert ist von der realen Geschichte, die er in seinem neuesten Film entfaltet, basierend auf dem Sachbuch »Immodest Acts – The Life of a Lesbian Nun in Renaissance Italy«, in dem Judith C.Brown Gerichtsakten des frühen 17. Jahrhunderts verarbeitet hat: Ein einzigartiges Fenster zur Vergangenheit;  immerhin erfährt man hier, was die beiden Nonnen Benedetta und Bartolomäa, die einer lesbischen Liebesbeziehung bezichtigt wurden, damals vor Gericht ausgesagt haben. Also, was wirklich passierte, erzählt von den Frauen, die es erlebt haben.

Aber die Geschichte einer jungen, schönen Nonne (Virginie Efira), die von tiefem Glauben erfüllt ist und trotzdem den Freuden des Fleisches folgt,  verbindet auch die beiden Extreme des Werkes von Paul Verhoeven, der von »Türkische Früchte« über »Basic Instinct« bis »Elle« immer wieder fasziniert, provoziert und polarisiert hat. Die Kutsche einer Reisegesellschaft wird von Straßenräubern überfallen. Als ihre Mutter ihren Ehering nicht hergeben will, tritt ihre liebliche, elfjährige Tochter den ungehobelten Haudegen entschlossen entgegen. Schon da verströmt sie die Unerschütterlichkeit einer Jeanne d'Arc, die auch später anhält, als es um die Ausbreitung der Pest oder den drohenden Tod auf dem Scheiterhaufen geht. Nie hegt sie Zweifel daran, dass Gott auf ihrer, der gerechten Seite steht, und die Ereignisse geben ihr recht: Unter dem Gelächter seiner Kumpels wird einer der Rüpel von einem Vogelschiss getroffen. Anschließend wird das Mädchen zusammen mit einer erklecklichen Mitgift dem Konvent als Braut Jesu übergeben.

»Benedetta« reiht sich ein in die Riege der starken, eigenwilligen Frauen im Werk von Verhoeven; auch für die Nonne, die sich mit 30 zur Äbtissin hochkämpft, geht es um Macht und Selbstermächtigung unter widrigen Umständen. Die Pole von religiöser Hingabe und fiebrigen Träumen über intime Begegnungen mit Jesus, asketische Nonnendemut und lesbische Sinnlichkeit, erlebt Benedetta nicht als Widerspruch. Sie verschmelzen in einem aus einer Marienstatue gefertigten Dildo, mit dem dann doch noch eine gehörige Portion Camp und Kinkyness Einzug hält in eine Welt mondäner Kostüme, feierlicher Rituale und mit Kerzen stimmungsvoll ausgeleuchteter Räume aus gemauertem Stein.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt