Kritik zu Austin Powers – Das Schärfste, was Ihre Majestät zu bieten hat

englisch © New Line Cinema

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»Danger« sei sein zweiter Vorname, erzählt er stolz, und Geheimagent Austin Powers (Mike Myers) ist in der Tat eine Gefahr, nicht nur für weltbedrohende Superverbrecher, sondern auch für das weibliche Geschlecht. In den Swinging Sixties machte dieser »etwas andere« James Bond ganz London unsicher, war, neben seiner Tätigkeit Für den »Secret Service«, ein gefeierter Modefotograf, und die Frauen verfolgten ihn scharenweise eine Trash-Version von David Hemmings, der seinerzeit in »Blow Up« von Teenies umschwärmt wurde.

Dem teuflischen Dr. Evil allerdings (ebenfalls gespielt von einem aberwitzig maskierten Mike Myers) ist Powers ein Dorn im Auge. Dieser Dr. Evil erinnert verdächtig an den legendären Bond-Gegenspieler Ernst Blofeld: Stets hat er eine weiße Angora-Katze im Arm, und unfähige Mitarbeiter werden auf Knopfdruck vom Sitzungstisch weg in einen Ofen katapultiert.

Als Powers dem Schurken im Prolog des Films zu nahe kommt, läßt dieser sich, ähnlich dem »Batman«-Bösewicht Mr. Freeze, einfrieren und ins All schießen. Erst 30 Jahre später heute setzt die Geschichte wieder ein. Eigentlich schade, denn es war geradezu atemberaubend, wie der Film innerhalb weniger Minuten das London der wilden sechziger Jahre in überschwenglicher Farbenpracht auferstehen ließ, um es zu veralbern und gleichzeitig, vielleicht sogar mit einer melancholischen Träne im Auge, zu feiern.

1997 nimmt sich dagegen grau, trist und übermodernisiert aus, das richtige Zeitalter für den bleichen Dr. Evil, um sich auftauen zu lassen und die Welt erneut in Angst und Schrecken zu versetzen. Wer aber sollte heute diesem Mega-Schurken gewachsen sein, wenn nicht Austin »Danger« Powers? Der ließ sich damals glücklicherweise ebenfalls einfrieren, um am alles entscheidenden Tag zur Stelle zu sein und die Welt endgültig von Dr. Evil zu befreien. So werden Held und Bösewicht quasi gleichzeitig ins Leben zurückgeholt – eine verdächtige Parallele zu Sylvester Stallone und Wesley Snipes in »Demolitian Man«.

Man sieht, »Austin Powers: International Man of Mystery« spart nicht an Filmzitaten, ganz im Gegenteil: Der Film ist ein wahres Feuerwerk in Sachen Filmgeschichte, eine überdrehte Ulknummer und liebevolle Hommage zugleich. Dabei ist er keine »billige« Klamaukrevue à la »The Naked Gun«, sondern präsentiert sich in aufwendiger und liebevoller Austattung, die sich durchaus mit den Vorbildern messen kann. Nicht zuletzt in der farbenfrohen Gestaltung entspricht »Austin Powers« eher Tim Burtons »Mars Attacks!« als den etwas angestaubten Leslie-Nielsen-Filmen. Der Humor ist dann auch weniger slapstickhaft als vielmehr verbaler Natur, und viele Gags dürften durch die Synchronisation erheblich an Witz verlieren. Mike Myers pfeift auf jede political correctness – sein Austin Powers, in den freizügigen sechziger Jahren zum Sexsymbol aufgestiegen, denkt nur an das Eine, und das läßt er jedes weibliche Wesen in seiner Nähe wissen. Dabei wird er oft zweideutig, bisweilen zotig, aber nur selten geschmacklos. Er ist eine Mischung aus dem dreisten, unwiderstehlich-charmanten Groucho Marx und dessen hemmungslosem, etwas kindlichem Bruder Harpo; der leicht verschmitzte, sexbesessene Woody Allen der frühen achtziger Jahre schimmert hier und da ebenfalls durch.

Natürlich steht Powers bei seinen Abenteuern eine überaus attraktive Frau zur Seite, die ihn mit den Gegebenheiten der neunziger Jahre vertraut machen soll, und seine Versuche, sie zu verführen, gehören zu den Höhepunkten des Films. Elizabeth Hurley spielt diese Agentin als sexy-elegante Karrierefrau, und ihre trockenen Reaktionen auf Powers' Avancen bilden genau das richtige Gegengewicht zu Mike Myers expressivem Stil.

Wie ein Drogenrausch erscheint die Textur des Films. Ohne Hemmungen werden Elemente aus Science-Fiction-Filmen mit klassischen James-Bond-Bauten und grellen Motiven der Swinging Sixties vermischt. So stehen weibliche Killerroboter in »Baby Doll«-Negligés, denen Pistolenläufe aus den Brüsten ragen, neben Attentätern in Mondrian-Plastikkleidchen, und das vor Blumentapeten, deren Motive jeden Moment von der Wand zu springen drohen. Eingefangen von der Kamera von Peter Deming (»Lost Highway«), verschmilzt dieser Bilderbogen zu einem beinahe surrealen Rausch.

Ein erhebliches Problem von Genre-Parodien besteht häufig im Übertreiben eines bestimmten Gags, im Auswälzen einer Idee, bis ihr jeglicher Witz ausgetrieben ist. Regiedebütant Jay Roach hingegen hat ein erstaunliches Gespür für Timing, er weiß (fast) immer. wann er den Schlußpunkt setzen muß. Das ist um so erstaunlicher, da Mike Myers für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, womit die Gefahr gegeben war, sich selbst allzusehr auszureizen. Aber auch Myers versteht es, wohldosiert zwischen totaler Schrägheit und echtem Charme zu schwanken.

Wie es sich für ein Agentenabenteuer gehört, hat der Film ein furioses Finale. das an die Bond-Klassiker »Dr. No« und »You only live twice« erinnert. Auch der obligatorische letzte Anschlag eines überlebenden Killers kurz vor den End-Credits darf nicht fehlen. Dennoch, und das ist das Schönste, macht »Austin Powers« schon richtig Lust auf den nächsten »echten« Bond – Ende Dezember ist es ja soweit.

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