Kritik zu Ashes of Time: Redux

© 20th Century Fox

Noch immer lässt sich seine Handlung nicht wirklich entschlüsseln, aber Wong Kar Wais Neufassung von »Ashes of Time« kommt wie ein Komet, der bei seiner Wiederkehr noch heller strahlt, ins Kino

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Jene Zuschauer, die das Kino Wong Kar Was erst mit »In the Mood for Love« entdeckt haben, wird es gewiss überraschen zu erfahren, dass er einmal einen Schwertkämpferfilm gedreht hat. Diese Entdeckung mag ähnlich widersinnig erscheinen wie die Vorstellung, Alain Resnais habe vor Letztes Jahr in Marienbad einen Klassiker der Mantel-und-Degenliteratur gedreht. Aber Wong Kar Wai hat sich tatsächlich auf das Wuxia-Genre eingelassen: Auf der Suche nach den verborgenen Möglichkeiten des Wesensfremden, eines exzentrischen Kerns im Rahmen der Konventionen. Sein selbstverständlich elegischer Kampfkunstfilm ist eine Meditation über das Wesen von Zeit und Erinnerung.

Bis »2046« ist »Ashes of Time« der unverstandenste unter Wongs Filmen geblieben. Wongs Neubearbeitung ist kein Widerruf seiner damaligen Konzeption, sondern aus der Sorge um den Erhalt des Films entstanden, dessen Negativ zu verrotten drohte und der seit seinem Start 1994 in einer Vielzahl nichtautorisierter Schnittfassungen kursierte. Die Redux-Fassung ist sieben Minuten kürzer als seine erste Version, da etliches Filmmaterial nicht verwendbar war und vor allem die Tonspur irreparablen Schaden genommen hatte. Allerdings ist die Wiederbelebung etwas kohärenter als ihr enigmatischer Vorläufer; auch wenn die Handlung nach wie vor allen Versuchen spottet, sie nachzuerzählen.

Der Wechsel der Jahreszeiten verleiht »Ashes of Time: Redux« seine Struktur, die klimatischen Gegensätze des Wüstenschauplatzes geben seinen Rhythmus vor. Die Natur ist durch Filter verfremdet, die den Ort der Realität entrücken, dabei aber dem Wechsel von Hitze und Kälte Rechenschaft tragen; das Antlitz des Films changiert zwischen gesättigten und desaturierten Farben. Rissig und traumverloren ist er erzählt. Die Montage der meisten Szenen besteht aus Jump Cuts, die Bewegungen der Charaktere und der Kamera bleiben oft unvollendet

»Ashes of Time« ist mit Leslie Cheung, den beiden Tony Leungs, Maggie Cheung und Brigitte Lin zwar prominent besetzt. Aber ihre Gesichter entfalten eine Pracht der Flüchtigkeit, sind Projektionsflächen im Wortsinne: des labyrinthischen Schattenwurfs eines Vogelkäfigs, der Reflexion des Sonnenlicht und des Wassers. Die Schemen der Vergangenheit, das Abwesende gewinnen in dieser wort-und bildreichen Ausschweifung der Lakonie eine machtvollere Präsenz als die Verlockungen der Gegenwart. Auch im Kampfkunstgenre erfüllt sich Wongs melodramatische Präzision in einer Dramaturgie der unentrinnbaren Wiederholung, bei der jede neue Begegnung das Echo einer früheren ist. Der einst verpasste Augenblick ist seinen Charakteren eine Quelle köstlicher Wehmut. Über jeder Liebesberührung liegt ein trauriger Zauber der Duplizität – einen anderen zu meinen, oder selbst nicht gemeint zu sein. Das bei Wong zwischen sehnsuchtsvoller Versunkenheit und eruptiver Tatkraft schillernde Kampfkunstgenre bietet seinen Figuren eine narzisstische Zuflucht: die Vervollkommnung ihres edlen, blutrünstigen Handwerks.

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