Kritik zu Ai Weiweis Turandot

© Rise And Shine Cinema

2025
Original-Titel: 
Ai Weiwei's Turandot
Filmstart in Deutschland: 
16.10.2025
L: 
77 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Das wandelnde Gesamtkunstwerk Ai Weiwei debütiert als Opernregisseur. Die Dokumentation gibt Einblicke in die Inszenierung und sekundiert dem charismatischen Aktionskünstler hingebungsvoll

Bewertung: 2
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Selbst wenn er sich bescheiden gibt, klingt er noch großspurig. Er interessiere sich überhaupt nicht für Oper, gibt Ai Weiwei zu Protokoll, und Musik höre er auch keine. Dass er deshalb eine Fehlbesetzung für die Neuinszenierung von »Turandot« wäre, käme ihm nie in den Sinn. Er wird das rund 100 Jahre alte Werk zielstrebig in die Gegenwart führen.

Es ist nicht seine erste Begegnung mit Puccinis letzter Oper. 1983 trat der Chinese in New York als Statist auf. Regie führte damals Franco Zeffirelli, dessen Inszenierungen berüchtigt dafür waren, hinter dem aufklärerischen Potenzial ihrer Vorlagen zurückzubleiben. Ai Weiwei nimmt sich das genaue Gegenteil vor, als ihn 2020 das Opernhaus in Rom engagiert. Sein erster Ansatz, dem Werk Aktualität einzuhauchen, besteht darin, es als Flüchtlingsdrama zu lesen. Bald lösen weitere Deutungen einander in atemlosem Tempo ab. Die Regenschirm-Revolte in Hongkong schlägt sich in den Kostümen nieder, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine (empörend hasenfüßig als »russisch-ukrainischer Konflikt« bezeichnet) in plakativen Videoeinspielungen. Ai Weiwei ist ein Meister im Absorbieren von Ideen.

Fasziniert schwelgerisch skizziert Maxim Derevianko den Schaffensprozess, für den dem frisch gebackenen Regisseur ein vorzügliches Ensemble, ein reibungslos funktionierender Apparat und die versierte Choreografin Chiang Ching zur Verfügung stehen. Leider sieht man die Beteiligten nur selten bei der Arbeit, dafür umso häufiger beim Formulieren ihrer Absichten. In der Summe kommt dabei nicht mehr heraus als eine Kaskade der Gemeinplätze über das Verhältnis von Kunst, Wirklichkeit und Politik. Viele Komplimente macht man einander obendrein. Zwischendrin wird an sattsam bekannte Wegmarken der Dissidentenbiografie Ai Weiweis erinnert. Nach dem Corona-Lockdown findet ein Dirigentenwechsel statt. Die Ukrainerin Oksana Lyvniv bringt nicht nur am Pult einen anderen Elan mit, sie sieht in der Oper auch eine Chance, eine bessere Welt mit besseren Menschen zu schaffen: »Nessun Dorma« als triumphaler Rausschmeißer, der auch im Kinosessel das erhebende Gefühl erzeugt, aufrechter Gesinnung zu sein.

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