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Margarethe von Trotta widmet sich einer weiteren weiblichen Ikone der Geistesgeschichte: Die schmerzvolle Beziehung zu Max Frisch steht im Mittelpunkt ihres Dramas über die Dichterin Ingeborg Bachmann
Vor 50 Jahren starb Ingeborg Bachmann in Rom unter Umständen, die in ihrer rätselhaften Tragik fast zu gut zu ihrem bis heute faszinierenden Werk passen. Diesen Tod infolge eines Brandunfalls – oder doch Suizids? – hat Trotta nicht inszeniert. Sie konzentriert sich in »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« ganz auf die Beziehung der Dichterin zum Schweizer Schriftsteller Max Frisch, die tiefe Krise, die auf die Trennung folgte, und die titelgebende Reise in die Wüste Ägyptens.
Der Einstieg ist alptraumhaft. Ein Telefon klingelt. Bachmann hebt ab und fragt den Mann am anderen Ende, wann er wiederkomme, ob sie zu ihm kommen solle? Einzige Erwiderung ist ein schallendes, nicht enden wollendes Lachen. Dann entfaltet sich die Geschichte in einer parallelgeführten Bewegung: Ein Strang erzählt von der ersten Begegnung von Bachmann und Frisch in Paris 1958, vom Beginn ihrer Beziehung und Bachmanns Einzug bei Frisch in Zürich. Bald prägen Frischs Besitzanspruch und Eifersucht das Verhältnis, das auch der Umzug in Bachmanns Lieblingsstadt Rom nicht retten kann. Die Trennung schließlich ist für die Dichterin eine Katastrophe. Der zweite Handlungsstrang zeigt die Reise nach Ägypten, die die immer noch schwer angeschlagene Bachmann mit dem jungen Wiener Alfred Opel unternimmt.
Trotta hat ihr viertes Biopic über eine berühmte Frau – nach »Rosa Luxemburg«, »Hildegard von Bingen« und »Hannah Arendt« – in opulenten Bildern inszeniert, die in den Bachmann-Frisch-Szenen immer wieder auch etwas dunkel Brütendes haben – Kamera: Martin Gschlacht. Stimmungsvoller 50er-Jahre-Chic und mondäne Locations erhöhen noch die Schauwerte, so wird die ägyptische Wüste vom imposanten jordanischen Wadi Rum gedoubelt, in dem bereits »Lawrence von Arabien« oder auch die aktuellen »Dune«-Filme entstanden. Auch die Besetzung ist durchweg sehenswert, und Vicky Krieps vermag ihrem Bachmann-Porträt zahlreiche Facetten zwischen enormem Selbstbewusstsein mit sehr moderner Eigenständigkeit und tiefer Verletzlichkeit zu verleihen. Auch dass die Erfahrung der Wüste als ein Ort der Stille und Klarheit, auch der Befreiung von Konventionen, eine Läuterung bewirkt, vermag Krieps' Spiel nachvollziehbar zu machen. »Meine Wüste, meine einzige, meine sanfte Vorhölle, meine Erlösung«, schrieb Bachmann.
Auch Ronald Zehrfeld – hier etwas massiger als sonst – gibt sein Bestes, Max Frisch außer einer spießigen Ader und enervierender Eifersucht einen bubenhaften Charme zu verleihen. Aber leider bleibt völlig unterbelichtet, was die Liebe zwischen ihm und Bachmann ausmacht. Vielleicht hätte hier die Kenntnis des Briefwechsels zwischen Bachmann und Frisch Erhellendes zum Drehbuch beitragen können, doch Margarethe von Trotta erhielt keine Einsicht durch den Suhrkamp-Verlag. Der veröffentlichte die Briefe im November 2022, gerade mal drei Monate vor der Premiere von Trottas Film auf der Berlinale – sie haben einige Aspekte der Geschichte in neuem Licht gezeigt.
Eine mutigere eigene Deutung hätte der Film natürlich trotz dieses ungünstigen Timings leisten können. So vage er in Bezug auf die Triebkräfte der Beziehung bleibt, so uninspiriert nähert er sich dem Denken und Schaffen der Dichterin. Nur schlagwortartig geht es mal darum, dass Bachmann das Schreiben von Lyrik einstellt, wird ihr Vortrag bei der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden für »Der gute Gott von Manhattan« in Szene gesetzt, werden Zitate eingeflochten wie »Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar«.
Kraft entwickelt der Film in den Momenten, in denen er visuell erzählt. Etwa auf einer Party, bei der ihr wie in Vorwegnahme ihres Todes beim Anzünden einer Zigarette eine Kerze in den Schoß fällt und ihr grünsamtenes Kleid Feuer fängt, während sie aufschaut, ansonsten aber völlig regungslos sitzen bleibt. Eine der wenigen produktiv irritierenden Szenen in einer Inszenierung, die sehr schön anzusehen, doch meist allzu gediegen und getragen ist.