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Im Finale des 1993 gestarteten Dino-Franchise treffen die Urgesteine auf neue Heldinnen und Helden und kämpfen sich durch einen soliden Actionfilm, der mit Spielbergs Klassiker nicht mehr viel gemein hat
Raptoren jagen ihre Beute: Sie sind unsichtbar, kaum mehr als ein flüchtiger Schatten, ein Rascheln im Dschungel. Ein Mann versucht, ihnen lautlos und langsam zu entkommen. Aber es ist längst zu spät. Als er zur Seite in Richtung seiner vermeintlichen Jäger blickt, attackiert ihn ein anderes Tier von hinten. Die Szene aus Steven Spielbergs Klassiker »Jurassic Park« von 1993 ist nur eine von vielen, in denen mit minimalen Spezialeffekten größtmögliche Spannung erzeugt wurde. Solch ikonische Momente sucht man nun in Jurassic World: Ein neues Zeitalter vergebens. Hier wird am laufenden Band gejagt und geflohen, die schiere Anzahl von Dinosauriern erzeugt Schwindel.
Ein neues Zeitalter setzt vier Jahre nach den Ereignissen des letzten »Jurassic World«-Films ein. Tatort ist nicht mehr der schwüle Dschungel der Isla Nublar, sondern die ganze Welt. Die Menschheit hat sich mit der Anwesenheit von Dinosauriern, die nun mitten unter ihnen leben, arrangiert. Owen (Chris Pratt) und Claire (Bryce Dallas Howard) setzen sich als Tierschutzaktivist*innen ein und leben in einer einsamen Waldhütte. In ihrer Nähe hat sich auch Owens Lieblingsraptor Blue mit Nachwuchs niedergelassen.
Das Entlassen der Dinosaurier in die Zivilisation wäre eine vielversprechende Prämisse mit vielen Anknüpfungspunkten für reale Herausforderungen unserer Zeit gewesen: Massentierhaltung, Hungersnot, Klimawandel, Artensterben, korrupte Pharma- und Saatgutfirmen. Ein Potenzial, was der Film leider verspielt. Stattdessen gibt es eine Entführungsgeschichte, Verfolgungsjagden, Schauplatzwechsel und Dino an Dino. Spektakulär ist das, aber auch beliebig und austauschbar.
Fans der ersten Stunde fiebern ohnehin dem Aufeinandertreffen der neuen mit der alten Garde an Figuren entgegen. Laura Dern und Sam Neill als Ellie Sattler und Alan Grant (aus »Jurassic Park« 1 und 3) schlagen sich mit dem Charme eines seltsamen Paars im Matthau-Lemmon-Stil durch die Handlung, Jeff Goldblum schlüpft gut gealtert in seine schwarze Lederjacke und Paraderolle als Chaostheoretiker Ian Malcolm und sichert sich zumindest ein paar gute Oneliner. DeWanda Wise, die wie Mamoudou Athie neu im Cast ist, modernisiert als toughe bisexuelle PoC-Pilotin das Franchise in puncto Diversität. Was dem Film dagegen fehlt, ist ein glaubhafter Antagonist. Die großen Predatoren und flinken Jäger sind im wahrsten Wortsinn ferngesteuert oder eben selbst ausgebeutete Opfer. Campbell Scott, als CEO der ominösen Biosyn-Korporation, sinistert als Tim-Cook-Lookalike zu unentschlossen durch die Story, um wirklich furchteinflößend zu sein.
So hechtet der finale Teil der Dino-Reihe von Klimax zu Klimax, ohne wirklich zu befriedigen. Es wirkt allerdings erfrischend, dass hier niemand Superkräfte hat. Unterm Strich ist das solides Actionkino. Mit dem kalten Schauer, den Spielberg durch Vibrationen im Wasserglas oder dem Klackern einer Raptorkralle auf einem kalten Küchenboden auszulösen vermochte, hat das aber nicht mehr viel gemein.