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© Meteor Films

2017
Original-Titel: 
Blue My Mind
Filmstart in Deutschland: 
01.11.2018
L: 
97 Min
FSK: 
16

Plötzlich Appetit auf rohen Fisch und auf Jungs: Die Schweizer Regisseurin Lisa Brühlmann verbindet in ihrem Langfilmdebüt Fantasymärchen mit Coming-of-Age-Drama

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Wie es Mia ausgerechnet in die Schweiz verschlagen haben mag? Ein Land, das einen wahrlich nicht als Erstes ans Meer denken lässt, sondern vielmehr an Berge, an alpine Panoramen, an Hochwald und Gebirgsbäche. Davon abgesehen denkt man, wenn man an die Schweiz denkt, im Allgemeinen eher biedere Gedanken, die sich um Sauberkeit und Ordnung und Wohlstand drehen. Nicht um Aufruhr und Wildheit, um Sinnenfreude, Rausch, Exzess. Und doch erzählt Mias Geschichte genau davon und wählt sich Lisa Brühlmanns »Blue My Mind«, der beim diesjährigen Max-Ophüls-Festival mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde, ein in mehrfacher Hinsicht gegen den Handlungsort Schweiz verschobenes Thema. Fantasy fällt einem zum Land der Eidgenossen ja auch nicht sofort ein, und Schwyzerdütsch mögen vielleicht Waldschrate sprechen, aber doch keine Seeungeheuer.

Doch der Reihe nach. Mia ist eine Teenagerin in der Umbruchphase; weil ihr Vater die Arbeitsstelle gewechselt hat, muss sie sich in einer neuen Stadt, in einer neuen Wohnung und mitten im Schuljahr mit ­neuen Lehrern und neuen Mitschülern arrangieren. Sie sucht Kontakt zur coolen Clique der wilden Mädels mit den flapsigen Sprüchen, die die Schule schwänzen, (angeblich) Sex haben und die Partydrogen mit Alkohol runterspülen. Denn Mia ist kein braves Mädchen. Mia ist in der Pubertät – und wird von einem Hormonsturm erfasst, der ihr ganzes Leben komplett umkrempeln und keinen Stein mehr auf dem anderen lassen wird. Ein Sturm, der freilich zunächst lediglich als leichte Brise spürbar wird: Mia fühlt sich fremd in ihrem Leben und in ihrer Familie, und wie viele Heranwachsende beschleicht sie der Verdacht, sie könne adoptiert worden sein. Warum sieht sie ihren Eltern nicht ähnlich? Warum weicht die Mutter aus, wenn sie danach fragt? Bald entwickelt sie nicht nur einen seltsamen Appetit auf rohen Fisch, sondern auch auf Jungs. Bald beginnt ihr Körper sich auf ­eine Weise zu verändern, die über das pubertätsgewohnte Maß sattsam hinausgeht. Und ­keine Hilfe weit und breit.

Brühlmann behandelt in ihrem Spielfilmdebüt nach eigenem Drehbuch das Außergewöhnliche mit ruhiger Hand und großer Gelassenheit. Im Vertrauen auf das starke metaphorische Potenzial ihrer Story inszeniert sie das Fantasymärchen als Coming-of-Age-Drama, beziehungsweise, je nach Zuschauerblickwinkel und szenischer Schwerpunktsetzung, das Coming-of-Age-Drama als Fantasymärchen. Wobei sie mit Elementen des Körperhorror-Subgenres ebenso souverän umgeht wie mit den Darstellungskonventionen jugendkultureller Umtriebe – deren großes gemeinsames Ziel schließlich ohnehin schon immer die Verletzung von Grenzen war und ist. Insofern verwundert das seltsame Wesen, das am Ende in einem stinknormalen Schweizer Wohnzimmer nach Luft schnappt, weniger, als dass es anrührt. Während zugleich der Mut der Filmemacherin beeindruckt, die das Wesen in dieses Zimmer auf eine Weise hineinfantasiert hat, die mitfühlbar und nachzuvollziehen ist.

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