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Die Schauspielerin Mélanie Laurent und der Aktivist Cyril Dion haben eine filmische Reise unternommen, deren Ziel nichts Geringeres als die Rettung der Welt ist
Das Knirschen im Getriebe unserer Weltordnung ist deutlich zu vernehmen. Klimaveränderung, Überbevölkerung, Ernährungskrisen, auch die Krisen unserer Finanzsysteme und das schwindende Vertrauen in Demokratien: lauter drängende Probleme. Eine großangelegte Studie der Zeitschrift »Nature« hält gar den Zusammenbruch unserer Zivilisation in den nächsten 40 Jahren für wahrscheinlich. Sie ist der Ausgangspunkt für den aktivistischen Film von Cyril Dion und Mélanie Laurent, die in Form einer »Quest«, die sie in zehn verschiedene Länder von den USA bis Indien führt, nach Lösungen suchen.
Sie finden jede Menge. Ordnend nach den Problemzonen unserer Zivilisation, stellen sie in Interviews mit Wissenschaftlern und Aktivisten Modelle des Urban Farming oder der biologischen Landwirtschaft vor und untersuchen neue Wege der Energiegewinnung, der Stadtplanung und der Müllentsorgung, aber auch Projekte zu sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe sowie vorbildliche Schulsysteme. Denn wenn wir die Welt verändern wollen, müssen sich die Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen ändern, und das ist nur über Bildung möglich. Kurzum: »Tomorrow« ist ein Rundumschlag zur Weltrettung, und zumindest in Frankreich scheint das einen Nerv getroffen zu haben. Der Film wurde mit dem César als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet und erreichte 800000 Zuschauer.
Viele der vorgestellten Ideen hat man bereits so oder ähnlich gehört, manches allerdings ist durchaus erstaunlich, etwa beim Thema Finanzen und alternative beziehungsweise komplementäre Währungssysteme. Hier wie bei allen anderen Modellen lautet das Motto: »Think global, act local.« Untergründiges Leitmotiv des Films ist die Sehnsucht nach einem Ende der Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit und von der Natur.
»Tomorrow« bietet zweifellos wertvolle Denkanstöße, auch seine utopische Stoßrichtung über den Weg praktischer Ermutigung ist mehr als ehrenwert. Doch wie setzt man so etwas in Bilder und Töne um? Laurent und Dion finden dafür bedauerlicherweise kein Rezept. Unzählige Talking Heads wechseln sich mit Bildern lachender Kinder und blühender Plantagen ab. Dazwischen immer wieder Aufnahmen des Filmteams, wie es mit Ray-Ban-Sonnenbrillen und Trekking-Schuhen im Gänsemarsch durch diverse Szenerien spaziert – eine Ästhetik wie aus einem Jack-Wolfskin-Werbespot, in die sich auch die vielen textlich passenden und ziemlich glatten Songs nahtlos einfügen. Durchweg ist der Film von einem gnadenlosen, nie durch Skepsis getrübten Willen zur Verbreitung positiver Stimmung beseelt. Das kann beim Betrachter aber durchaus das Gegenteil bewirken. So viel strahlendes Lächeln und visionäre Ausblicke, so viele Erfolgsstorys ... – haben denn all diese Rezepte zur Weltrettung keine unerwünschten Nebenwirkungen, abgesehen davon, dass sie mit Arbeit verbunden sind? Oder bewegen wir uns doch auf derart utopischem Terrain, dass Zwischentöne überflüssig sind? Das Streben nach einer besseren Welt hätte einen besseren Film verdient.