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Gerhard Midding

Von dieser Kolumne wollte ich eigentlich schon seit längerer Zeit berichten. Vor gut einem Jahr habe ich sie entdeckt. Es fing damit an, dass Pamela Hutchinson, eine mir bis dahin unbekannte Journalistin beim »Guardian«, an das Kinojahr 1915 erinnerte. Sie erklärt es zu einer entscheidenden Wegmarke der Filmgeschichte – ihrer Ansicht nach wurde das Medium in diesem Jahr erwachsen – und verlinkte zu einigen Filmen, die als Beleg dafür dienten.

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Meine Begegnung mit ihr war kein reines Vergnügen. Im Gegenteil, unser Interview verlief höchst verdrießlich. Ihre häufigste Antwort lautete »Ich weiß nicht.« Statt über ihren aktuellen Film zu sprechen, überprüfte sie lieber, ob sie neue Nachrichten auf ihrem Smartphone erreicht hatten. Zum ersten Mal in meinem Berufsleben geriet ich in die Verlegenheit, eine Gesprächspartnerin zu ermahnen, sie solle sich gefälligst anstrengen und endlich ihre Arbeit machen. Zu meinem großen Erstaunen half das sogar etwas.

Gerhard Midding

Vor einigen Wochen schickte mir ein befreundeter Redakteur eine Mail, auf die ich weniger begeistert reagierte, als ich es eigentlich hätte sollen. Mein Freund wies mich darauf hin, dass sich am Ende des Monats der Geburtstag von Budd Boetticher zum 100. Mal jährt. Er fand, das sei doch ein schönes Thema für meinen Blog.

Gerhard Midding

Überschriften sind immer ein Problem. Manchmal sind sie schon lange vorher da, was in der Regel ein gutes Zeichen ist. Meist jedoch bereiten sie Kopfzerbrechen und sind am Ende nur eine Notlösung. Im besten Fall jedoch besiegeln sie, dass ein Text seine endgültige Form gefunden hat: Wenn man auf eine Formel bringen kann, worum es geht, ist das ein verlässliches Indiz, dass man den Gegenstand hinreichend im Griff hat.

Gerhard Midding

Wer sich auf der Autobahn in Richtung Sachsen-Anhalt bewegt, wird an der Landesgrenze mit einem freundlichen »Willkommen im Land der Frühaufsteher« begrüßt. Einer wie ich müsste sich hier augenblicklich heimisch fühlen. Vermutlich sollen die Schilder jedoch zukünftige Investoren inspirieren. Aber kämen die nicht eher mit dem Flugzeug?

Gerhard Midding

Ich will nicht sagen, dass es mich empört. Aber abfinden mag ich mich damit ganz und gar nicht. Die zügellose Verbreitung, die der Begriff »Aufreger« seit einigen Jahren findet, ist mir ein Dorn im Auge. Er darf ungestraft in Buchtiteln auftauchen (»Cineastische Aufreger gestern und heute«, »Die größten Aufreger der Antike«); selbst der Duden erhebt keine Einwände mehr gegen ihn.

Gerhard Midding

Der Film zog mich rasch auf seine Seite. Dazu genügten ihm ein paar Sekunden. Endlich sieht man im Kino, dachte ich bei »Verräter wie wir«, mal wieder einen wirklichen Vorspann. Im anglo-amerikanischen Kino ist es schon fast eine verlorene Kunst, das Publikum mit einer ahnungsvollen, ausdrucksstarken Credit-Sequenz auf den Film einzustimmen; die Bond-Filme sind da beinahe die letzte Bastion.

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Mein alter Freund Vincent hatte seine eigene Theorie, weshalb Michael Cimino so unendlich viele Takes drehte. Sie war erfahrungsgesättigt, denn beide hatten in den 60ern in der Werbebranche in New York begonnen. Michael, meinte er, sei es einfach gewohnt gewesen, die Einstellung eines Kühlschranks siebzigmal wiederholen zu lassen. Der Kühlschrank konnte sich, im Gegensatz zu Schauspielern, nicht beschweren. Und Ciminos Klienten von der Madison Avenue waren mit den Resultaten meist zufrieden.

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Acht Jahre sind im Filmgeschäft eine halbe Ewigkeit. So lange Zeit zu schweigen, kann sich schlechterdings kein Filmemacher erlauben. Wer diese Langmut dennoch aufbringt, muss entweder ein Regisseur mit hohen Ansprüchen oder viel Pech sein. Oder einer, der seine Arbeit nicht in erster Linie als Geschäft betrachtet. Im Fall von Hou Hsiao-hsien treffen glücklicherweise nur zwei dieser drei Möglichkeiten zu.

Gerhard Midding

Die Idee mit der Dusche ist wirklich hübsch. Dort sind wir schließlich alle großartige Sänger. In »To Rome with love« gibt Woody Allen dieser weit verbreiteten Selbstüberschätzung einen fabelhaften Dreh. Sie erinnern sich: Er spielt einen abgehalfterten Opernimpresario, der im Verlauf einer Reise an den Tiber einen Bestatter entdeckt, der zu prachtvollstem Belcanto fähig ist – aber eben nur während der Körperpflege.