Berlinale-Retro: »Wo ist das Haus meines Freundes?« (1987)

»Khane-ye doust kojast«
»Wo ist das Haus meines Freundes?« (1987). © Kanoon

»Ich kann mich noch glasklar an das erste Mal erinnern, als ich ihn sah. Ich war 17, und er hat mich überwältigt. Und ich empfinde immer noch exakt dieselbe Euphorie, wenn ich an dieses erste Mal denke, in meinem Herzen, meinem Geist, meinem Körper. Wie etwas, das nicht von dieser Welt ist, so rein und so menschlich. Wie gute Musik, wie eine Symphonie, die etwas tief im Herzen berührt, und einen verzaubert.« Die iranische Schauspielerin und Regisseurin Niki Karimi ist eigentlich auch in Berlin, aber wie es offenbar Programm ist, wurde sie nicht eingeladen, bei der Aufführung von Abbas Kiarostamis »Wo ist das Haus meines Freundes?« (Iran, 1987) ein paar einleitende Worte zu sprechen; die Ansagerin vor dem Film zitierte nicht einmal das Grußwort auf der Homepage, und das macht doch einen recht lieblosen Eindruck, wie die Berlinale mit der Retro umgeht. Ich hoffe schwer, dass sie im nächsten Jahr überhaupt noch stattfindet und nicht völlig gekickt wird.

»Wo ist das Haus meines Freundes?« beginnt wie neun Jahre später »Ein Sack Reis« mit einer Tür: Die zum Klassenzimmer, wo der Lehrer äußerst streng ist, wenn ein Junge seine Hausaufgaben nicht ins Heft, sondern auf ein Blatt Papier schreibt. Das bringt Ahmed in schweren Konflikt: Zuhause nämlich merkt er, dass er das Heft des Gescholtenen versehentlich eingepackt hat. Und er muss sich aufmachen auf eine Odyssee zum Schulkameraden im Nachbarort – auch von der Handlung her könnte der Film eine Art Vorbild für den »Sack Reis« gewesen sein.

Nicht aber von der Atmosphäre her, denn Ahmad begegnet nicht Hilfsbereitschaft, sondern autoritärem Schimpfen und Ignoranz, niemand hört ihm zu, jeder bügelt ihn weg. Die Mutter lässt ihn nicht gehen, weil es dem Schulkameraden recht geschieht, der Opa würde ihm am liebste eine wöchentliche Tracht Prügel verpassen, so wie es sein Vater mit ihm gemacht hat, ob verdient oder nicht, und wo der Freund wohnt, kann oder will ihm keiner sagen. Als am Ende ein alter Mann doch hilft, wenn auch langsam, zu langsam, das es schon dunkel ist, wird auch nichts draus. 

Ahmad ist verloren in einer Welt, in der er nichts zählt – und zwar nicht er als Individuum, sondern Kinder überhaupt, die offenbar nur dazu da sind, zu Ordnung und Methode, Disziplin und Gehorsam erzogen zu werden. Die ganze Generation, die hier als achtjährige Buben im Klassenzimmer sitzt, macht diese Erfahrung mit, und wird sie wahrscheinlich weitergeben – so der Tenor des Films.

Produziert wurde er vom Institut für intellektuelle Bildung von Kindern. Ist die Botschaft angekommen, hat sie etwas geändert? Naja.

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