Forum: »Namo«

»Namo« (IRN, 2020)
»Namo« (2020). © Saber gazi

Eines Tages steht er da, der Wagen mit den zwei Männern darin, die nichts tun als zu beobachten. Unsicherheit macht sich breit unter den Anwohnern der Straße in der iranischen Provinzstadt. Auch bei dem Lehrer Bakhtiyar, der erst vor kurzem mit seiner Familie hierher gezogen ist. Gegenseitige Verdächtigungen und Beschuldigungen machen die Runde, die Nerven liegen blank. Bakhtiyars Gerechtigkeitssinn wird immer wieder auf die Probe gestellt, so wenn er einen Schüler in einer Prüfung beim Schummeln erwischt. Erst bettelt der darum, das doch zu übersehen, dann spricht er eine Drohung aus. Und als seine Ehefrau ihn schließlich auffordert, einen Nachbarn zu denunzieren, um selber vor den Schnüffeleien der beiden Männer sicher zu sein, da kehrt sich Bakhtiyars lange und mühsam unterdrückte Wut gegen die eigene Familie. Er werde ihr den Arm brechen, schreit er seine Frau an – einer der nachhaltigsten Momente dieses Films. Leicht hätte dies eine Parabel werden können, abgehoben von Raum und Zeit, doch Regisseur Nader Saeivar, der hier sein Langfilmdebüt gibt, lässt genügend Alltagsrealität aus dem heutigen Iran einfließen. Sein Film ist kein Frontalangriff auf staatliche Organe, wie etwa Mohammad Rasoulofs »A Man of Integrity«, der im vergangenen Jahr, anderthalb Jahre nach seiner deutschen Festivalpremiere, erfreulicherweise doch noch einen Kinostart hierzulande hatte. Aber er ist mit den beiden Männern im Auto, ganz offensichtlich Mitarbeiter des Geheimdienstes, doch problematisch genug für die Behörden. So musste man lange bangen, ob dem Regisseur die Reise zum Festival verweigert würde. Dann durfte er kommen und diskutierte mit dem Publikum. Im Publikum befanden sich bei der ersten Vorführung allerdings auch zwei Männer, die so etwas wie ein Äquivalent der beiden Herren im Auto im Film waren. Sie fotografierten mit ihren Handys den Nachspann des Films und erzwangen dessen Kürzung, wie mir der Regisseur wenige Stunden vor seiner Abreise beim Interview erzählt. Der Name, der dort ihren Unmut erregt hatte: Jafar Panahi, Gewinner des Goldenen Bären für »Taxi Teheran« 2015 und im Iran seit langem mit Ausreise- und Arbeitsverbot belegt. Er hat »Namo« geschnitten und am Drehbuch mitgearbeitet. Nader Saeivar erzählt von der Zusammenarbeit, die schon bei Panahis letztem Film »Drei Gesichter« funktionierte, wo er selber sich als Regisseur ausgab, wenn Offizielle bei den Dreharbeiten auftauchten. Und auch von einem neuen Film, den die beiden – auf ihren Handys – gedreht haben. Hoffen wir, dass sich für »Namo« ein deutscher Verleih findet. Mohammad Rasoulof, im diesjährigen Wettbewerb mit dem am Freitag auf dem Programm stehenden »There is No Evil« vertreten, darf, wie zu vermuten war, nicht anreisen.

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