Das Gesicht des Mittelmeers

»Christus kam nur bis Eboli« (1979)

Aus Trauer über ihren Tod sollte man Weiß tragen, denn sie trug auf der Leinwand eigentlich immer nur Schwarz. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, Irene Papas je in einer anderen Farbe gesehen zu haben. Oft passte das Schwarz natürlich, weil sie eine Witwe spielte. Aber es stand ihr darüber hinaus, weil es unterstrich, wie stolz und abweisend ihre Figuren sein konnten.

Gleichviel, ob sie nun verwitwet waren (besonders eindrucksvoll in »Z« von ihrem Landsmann Costa-Gavras) oder nicht, ihre Charaktere hatten meist eine Rechnung offen mit dem Schicksal. Ihr Blick klagte das Leben an, seine Ungerechtigkeit, seine falschen Versprechungen und Widersprüche. Dafür brauchte es nicht viele Worte, die Präsenz der griechischen Schauspielerin genügte. Wenn es Milde in ihren Zügen gab, dann entdeckte man sie erst auf den dritten Blick. Später trug sie dann das Schwarz des Matriarchats. In rund 80 Filmen hat sie mitgespielt, nun ist sie im Alter von 96 Jahren gestorben. In diesem Alter ist das keine griechische Tragödie, aber dennoch ein trauriger Abschied.

Ihre Filmkarriere dauerte 55 Jahre, sie fing daheim an und klang aus mit »Um filme falado« von Manoel de Oliveira. Es war eine entschieden europäische Karriere, sie trat besonders häufig in italienischen Filmen auf, anfangs etwa in tollen Sandalenfilmen von Riccardo Freda (zugegeben, da war sie in andere Farben gekleidet) und Melodramen von Mario Monicelli und anderen. Hollywood konnte wenig mit ihr anfangen. An ihr dortiges Debüt in »Mein Wille ist Gesetz« an der Seite von James Cagney habe ich nur vage Erinnerungen, in ihrem letzten US-Film »Kopfüber in die Nacht« hingegen hat sie einen starken Kurzauftritt. Da spielt sie eine persische Matriarchin, die ziemlich undurchschaubar ist. Mit »Die Kanonen von Navarone« und »Alexis Sorbas« avancierte sie zum Inbegriff mediterraner Weiblichkeit, sonnengegerbt, willensstark und wehrhaft. Sie hatte albanische Wurzeln. Sie schien immer zur Stelle zu sein, wenn es ihm Kino um Widerstand ging, an der Adria ebenso wie im Mittelmeer. In den meisten Filmen war sie unterbeschäftigt, aber nie schlecht. Bei Francesco Rosi, in »Christus kam nur bis Eboli« und »Chronik eines angekündigten Todes« hatte sie Nebenrollen, die tragend wurden dank ihres Charismas und ihrer hintergründigen Sinnlichkeit.

Auf der Bühne konnte sie in Griechenland ganz andere Register ziehen, da war sie eine gefeierte Tragödin im klassischen Repertoire, ein Mythos, eine Legende und eine einflussreiche Fördererin nachfolgender Generationen. Sie führte auch Regie. Daheim war sie ebenfalls als Sängerin berühmt, dank einiger Alben mit Vangelis, aber vor allem als glühende Mikis-Theodorakis-Interpretin; auch darin eine Widerständige. Vor neun Jahren zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück, nachdem bei Ihr Alzheimer diagnostiziert wurde. Unvorstellbar, dass diese Frau sich nicht mehr selbst gehörte.

Natürlich passte das Schwarz auch gut zu ihren Augen und den langen Haaren. Wie schön sie war, habe ich erst spät entdeckt. Sie gehörte einfach zum Inventar des Kinos, ihr Anblick war immer selbstverständlich gewesen. Ich glaube, erst in Elio Petris »Zwei Särge auf Bestellung« (wo sie wiederum eine Witwe spielt, die Gian Maria Volonté heimlich liebt) habe ich wirklich Notiz von ihrer außerordentlichen Anmut genommen. Sie hätte mir natürlich schon in »Die Kanonen von Navarone« auffallen können, spätestens in dem Moment, wo sie zu Anthony Quinn sagt, dass er ihr gefällt – ohne Scheu, herausfordernd und mit dem Versprechen, dass er kein leichtes Spiel mit ihr haben wird.

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