Courage

»Der Moment der Wahrheit« (2015). © Universum Film

Nun, in den Tagen vor der Amtseinführung des neugewählten US-Präsidenten, muss ich häufig an einen Film sehen, den ich im letzten Jahr gleich zweimal sah: »Truth« (Der Moment der Wahrheit) von James Vanderbilt, der als Drehbuchautor interessante Anfänge (»Basic«, »Zodiac«), seither aber eine ziemlich gemischte Bilanz vorzuweisen hat.

Ich sah »Truth« aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Zum ersten Mal, das war noch vor der unfasslichen Wahl, schaute ich ihn mir zur Vorbereitung eines Geburtstagsartikels über Robert Redford an, der hier den berühmten Anchorman Dan Rather spielt, der viele Jahre das Politmagazin »60 Minutes« moderierte. Zum zweiten Mal sollte ich ihn eigentlich als Cate-Blanchett-Film studieren (was nach der Wahl nicht so ganz leicht fiel), da ich einen Text zu einer Filmreihe im Münchner Filmmuseum vorbereitete. Blanchett verkörpert Mary Mapes, die Produzentin der Sendung, die für sich in Anspruch nimmt, der »Goldstandard« des investigativen TV-Journalismus zu sein.

Falls Sie den Film nicht gesehen haben, eine kurze Inhaltsangabe: Er handelt von einer Wasserscheide im amerikanischen TV-Journalismus. Mapes und ihr Team bereiten eine Folge der Reihe vor, in der enthüllt werden soll, wie es George W. Bush dank des Einflusses seiner Familie gelang, der Einberufung nach Vietnam zu entgehen; statt dessen leistete er seinen Militärdienst in der Nationalgarde und schwänzte dort einen Gutteil seiner Dienstzeit. Dank einer überstürzten Deadline bleibt Mapes' Team kaum Zeit, die Authentizität eines inkriminierenden Dokuments zu überprüfen. Der Film lässt wenig Zweifel daran, dass ihre Story im Kern stimmt. Natürlich schlägt dem Sender nach der Ausstrahlung von Seiten der Republikaner und aus der Blogosphäre heftiger Wind entgegen. Um die eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, übt »60 Minutes« Selbstkritik und recherchiert das Thema erneut. Dennoch bedeutet der Skandal das Ende der Fernsehkarrieren von Rather und Mapes. Eine Lügenpresse-Geschichte, wenn man so will.

Aber das wollen natürlich weder Sie, ich, noch der Film. Er handelt vielmehr von der Möglichkeit des Korrektivs, über das die Medien verfügen. Sie beziehen ihre Legitimation daraus, Fehler umgehend zu berichtigen. Wähler können das erst nach vier Jahren. Mary Mapes verfolgt im Film eine klare Agenda. Sie ist parteiisch, wenn auch nicht unbedingt im Sinne des tumben Zwei-Parteien-Systems in der US-Politik. »I don't like bullies« bekennt sie in der ersten Szene. Der Kampf gegen Leute, die ihre Macht missbrauchen, war ein zentrales Motiv ihrer Arbeit. Nun ist sie verbrannt. Mit der heutigen Vereidigung bekäme sie zweifellos eine Menge zu tun. Rathers Markenzeichen war, jede Sendung damit zu beenden, seinem Publikum Mut zuzusprechen. Das klang tröstlich, war aber auch eine Forderung. Rather verstand, was eine wachsame Zivilgesellschaft braucht. Redford ist wunderbar in den zwei Szenen, in denen er dieses »Courage« letzte Male zitiert. Wie läppisch erscheint demgegenüber die hiesige Debatte, ob Ingo Zamperoni nun endlich ein passendes Schlusswort für die »Tagesthemen« findet.

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