Sky: »The Staircase«

»The Staircase« (Miniserie, 2022). © WarnerMedia Direct, LLC.

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Verdächtig

Der gefährlichste Ort eines Hauses ist die Treppe. In dieser Serie ist sie eng, steil und unbeleuchtet. An ihrem Fuß fand Michael Peterson im Dezember 2001 seine Ehefrau Kathleen, blutüberströmt. Die örtliche Staatsanwaltschaft war überzeugt, dass es sich nicht um einen Unfallsturz, sondern um Mord handelte.

Seitdem fasziniert dieser Fall die Öffentlichkeit. Acht Mal wurde er in »True Crime«-Fernsehserien behandelt. Der französische Dokumentarist Jean-Xavier de Lestrade war gleich schon bei den Vorbereitungen zum ersten Prozess dabei und lieferte 2004 mit »The Staircase: Tod auf der Treppe« eine Dokuserie, deren Dreharbeiten nun fiktionalisiert Eingang in vorliegende HBO-Version finden, in der mit Stars wie Colin Firth, Toni Collette und Michael Stuhlbarg die Geschichte episch ausgewalzt wird.

Tatsächlich bietet der bis heute umstrittene Kriminalfall Stoff für eine Tragödie. Die Patchworkfamilie Peterson galt als vorbildlich, das Ehepaar einander sehr zugetan. Er brachte zwei Söhne aus erster Ehe und zwei angenommene Töchter – Kinder eines verstorbenen befreundeten Paares – in die Ehe, sie eine Tochter. Sie war eine gut verdienende Managerin, er ein Ex-Marine und nicht ganz so erfolgreicher Schriftsteller und Kolumnist der örtlichen Zeitung. An dem bewussten Abend feierte das Paar die Zusage für die Verfilmung eines seiner Krimis.

Mordwaffe, Motiv: Fieberhaft versucht die Staatsanwaltschaft, etwas zu finden, und dehnt die Ermittlungen bis nach Deutschland aus. Tatsächlich entpuppt sich der Schriftsteller als bisexuell, behauptet aber, Kathleen habe seine Beziehungen zu Männern akzeptiert. Seine vermeintliche Angst vor einer Trennung wird zum Hauptmotiv der Anklage. Dass andererseits der Staatsanwalt zuvor von Peterson, der für den Stadtrat kandidierte, wegen Korruption angegriffen worden war, hat mehr als nur ein Geschmäckle.

Die Handlung wird in überlappenden Szenen vom Jahr 2017, in dem Peterson erneut vor Gericht zieht, der Vorarbeit für den Prozess 2003 und den Wochen vor ­Kathleens Tod 2001 erzählt. Anders als die gesellschaftskritische Dokuserie konzentriert sich die Spielfilmbearbeitung stärker auf Porträts der Angehörigen, die sich entlang der Blutlinie entzweien. Früh zeichnet sich die Tendenz ab, Kathleens Tod als Unfall zu interpretieren – mit wiederholten Hinweisen auf einen zunächst surreal anmutenden Akteur, der tatsächlich an »Twin Peaks« erinnert. Wie hieß es darin so enigmatisch: Die Eulen sind nicht das, was sie scheinen.

Die unterschiedlichen subjektiven Blickwinkel auf das vergangene Geschehen säen Zweifel. So entsteht ein »Rashomon«-Effekt, der von der Inszenierung selbst genährt wird: Auch sie stellt manches anders dar, als es Zeitzeugen behaupten. Im Zerrspiegel passend gemachter »Narrative« scheint die Wahrheitsfindung illusorisch. »Die Wahrheit« ist hier nur die bessere Geschichte.

OV-Trailer

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