Apple TV+: »Causeway«

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Zwei verwundete Seelen

Sie mag gerade einmal 32 Jahre alt sein, doch zu den ganz großen Stars in Hollywood gehört Jennifer Lawrence trotzdem schon seit einem Jahrzehnt. Zwischen Blockbuster-Franchises wie »Die Tribute von Panem« oder »X-Men«, prestigeträchtigen Mainstreamproduktionen à la Oscargewinner »Silver Linings« und zuletzt »Don't Look Up« sowie nur gelegentlichen Flops (man denke an das Sci-Fi-Debakel »Passengers«) vergisst man manchmal, dass der Beginn ihrer Karriere im Independentkino liegt. Und genau dahin kehrt sie mit »Causeway« zurück.

Das Drama, das seine Weltpremiere beim Filmfestival in Toronto feierte, ist für viele Beteiligte ein Debüt: Für Lawrence ist es der erste Film, den sie auch als Produzentin verantwortet, während Regisseurin Lila Neugebauer, die vom Theater kommt, hier erstmals einen Film inszeniert hat. Und es ist auch das erste Drehbuch, an dem die gefeierte Schriftstellerin Ottessa Moshfegh (gemeinsam mit Ehemann Luke Goebel sowie Elizabeth Sanders) mitgeschrieben hat. Vielleicht kein Wunder also, dass die Geschichte eine sehr kleine und bescheidene ist.

Lawrence spielt die Soldatin Lynsey, die aus dem Afghanistaneinsatz eine so heftige Hirnverletzung mitbringt, dass sie erst einmal auf intensive Pflege und Rehamaßnahmen angewiesen ist, um überhaupt wieder laufen, schreiben und andere essenzielle Dinge zu lernen. Doch dass die Kriegserfahrung nicht das einzige Trauma ihres Lebens sein dürfte, wird klar, als sie – größtenteils wieder genesen – nach langer Abwesenheit ins heimatliche New Orleans zurückkehrt. Dort mag sich Lynsey selbst gegenüber ihrer Mutter (Linda Emond) nicht aus der emotionalen Verkapselung lösen, in die sie sich zurückgezogen hat. Erst als sie sich durch einen Zufall zaghaft mit dem ähnlich einsamen und vom Leben gezeichneten Automechaniker James (Brian Tyree Henry) anzufreunden beginnt, huscht auch mal ein Lächeln über ihr Gesicht. Doch am liebsten würde sie so schnell wie möglich zurück zur Armee.

Die Begegnung von zwei so unterschiedlichen und doch so ähnlichen verwundeten Seelen, die einander vielleicht neuen Lebensmut geben könnten, klingt zunächst nach allzu typischem Stoff für kleine US-Dramen.

Erfreulicherweise entpuppt sich »Causeway« als sehr besonderes Kleinod, weil es zart und wahrhaftig wirkt, ohne überkonstruiert zu sein. Atmosphäre, Stille und Subtilität sind hier wichtiger als der Plot. Und Neugebauer inszeniert die zurückgenommene Geschichte mit viel Feinsinn, aber ohne zu langweilen. Dass sie wunderbare Nebendarsteller*innen wie Emond, Stephen McKinley Henderson oder Jayne Houdyshell vom Broadway mitgebracht hat, lässt Fanherzen höherschlagen. Und es ist eine große Freude, Lawrence und Henry (der in Großproduktionen wie »Eternals« oder »Bullet Train« nicht allzu viel zu tun hatte) zuzusehen, die beide die Klaviatur der leisen, oft auch bitteren Töne bestens beherrschen und eine tolle Chemie miteinander haben.

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