Netflix: »Die Geschichte der Schimpfwörter«

»Die Geschichte der Schimpfwörter« (Staffel 1, 2021). © Netflix

»Die Geschichte der Schimpfwörter« (Staffel 1, 2021). © Netflix

Dick und Pussy

Die Idee der neuen Netflix-Serie »History of Swear Words« könnte für manchen pubertär klingen: Sechs Folgen, die über die Geschichte von Begriffen wie (hihihi!) »Pussy«, »Bitch« und »Dick«, nun ja, aufklären. Moderiert wird das Ganze von keinem Geringerem als Nicolas Cage, dessen Leumund nicht zwingend für ein hohes Maß an Seriosität steht. Umso schöner das Fazit nach Sichtung aller Folgen, dass die Reihe eine überraschend sichere Balance zwischen unverkrampfter Frivolität und populärwissenschaftlicher Informationsdichte findet. 

Dies verdankt sich nicht zuletzt der Zusammensetzung der befragten Experten, darunter die Linguistin Anne H. Charity Hudley, die Feminist-Studies-Professorin Mireille Miller-Young, der Filmkritiker Elvis Mitchell und die Lexikografin Kory Stamper – sie alle haben wirklich etwas zu sagen, und die hohe Frauenquote verhindert bei aller themenimmanenten Schlüpfrigkeit den Hautgout von klebrigem Altherrenhumor. Mit Seriosität, aber nicht ohne Humor wird über die Etymologie und die Mythologie, die Historie und die gesellschaftliche Relevanz von »Fuck«, »Damn« und »Shit« erzählt. Einiges wusste man schon, anderes könnte man sich zusammenreimen. Vieles aber dürfte auch für den interessierten Laien neu sein, und am Ende nimmt man mehr als genug Halbwissen für die nächste Dinnerparty mit. 

Nicht zu vergessen das i-Tüpfelchen des Ganzen: Nicolas Cage, der mit Vollbart und dunklem Anzug in einem Ledersessel thront, als liebevolle Parodie eines distinguiert-verschrobenen Forschungsreisenden. Zwischen den Interview-Clips fasst er die gesammelten Erkenntnisse mit jener nonchalant theatralischen Art zusammen, die auch sein Filmschauspiel so einzigartig macht – irgendwo zwischen Shakespeare und Charge, mit wissender Distanz, aber ganz ohne jene intellektuelle Arroganz, sich eigentlich zu schade für den Job zu sein. Warum auch? 

Cage hält das vielstimmige Ensemble zusammen. Neben den Akademikern kommen nämlich auch Comedians zu Wort, die über die popkulturelle Bedeutung der »swear words« reflektieren, etwa über die Entwicklung von »Fuck« zum wütenden Kampfbegriff (»Fuck Tha Police!«) und von »Bitch« zur stolzen Selbstbezeichnung (»Im a Bad Bitch«). Auch hier bleiben die Frauen am nachhaltigsten in Erinnerung, allen voran Sarah Silverman und London Hughes. Die Frage, inwiefern das Erhellende dieser weiblichen Perspektiven sich aus der Frauenfeindlichkeit vieler Beschimpfungen ergibt, wird leider nur am Rande behandelt – 20 Minuten pro Folge sorgen zwar für Kurzweiligkeit, lassen aber keine Zeit für tiefschürfendere Reflexionen. Was bleibt am Ende? Die wissenschaftliche Bestätigung, dass ein beherzter Fluch menschlich und sogar gut für die psychische Gesundheit ist. Und natürlich die Erkenntnis, dass niemand den Variantenreichtum von Pussy, Fuck und Dick mit einer solchen Gravitas vorführen kann wie Nicolas Cage.

OV-Trailer

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