Mediathek: »One Lane Bridge«

»One Lane Bridge« (Staffel 1, 2020). © Great Southern TV/All3Media International

»One Lane Bridge« (Staffel 1, 2020). © Great Southern TV/All3Media International

Folge dem Gecko

Die aparten Schauplätze dieser neuseeländischen Serie lösen zumindest beim hiesigen Betrachter zu Anfang einen faszinierenden Verfremdungseffekt aus. Wir befinden uns in Queenstown auf der Südinsel in den neuseeländischen Alpen. Der Bildrand ist abwechselnd mit schneebedeckten Gipfeln und Fjorden verziert, die von kahlen Hängen geprägte Landschaft wirkt grandios und auf undefinierbare Weise exotisch. Willkommen in Mittelerde, der Anderswelt der Hobbits: Dass hier manches nicht mit rechten Dingen zugeht, mag man gern glauben.

Auch Nachwuchspolizist Ariki »Ricky« Davis zieht es in diese Gegend, er freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem lokalen Polizeiveteranen Stephen. Außerdem will der begeisterte Sportler das Outdoorparadies mit Kanu und Rad erforschen. Das Sich-Austoben in der Natur hat er bald auch dringend nötig, denn schon kurz nach seiner Ankunft stürzt der allseits beliebte Farmer Grub von einer Flussbrücke in den Tod. Was anfangs als Suizid deklariert wird – Grubs 100-jährige Schaffarm ist überschuldet –, entwickelt sich zu einer Mordermittlung. Es gibt Gerüchte über Ehebruch und auch über familiäre Konflikte wegen des möglichen Verkaufs der Farm an Chinesen. Und dann ist da die Brücke, auf der Ricky schon bei der ersten Überquerung Visionen empfing: Totengeister, die ihn fortan heimsuchen und ihn zunehmend erratisch reagieren lassen.

Was auf den ersten Blick an die multiperspektivische Krimiserie Broadchurch erinnert, ähnelt eher der französischen Mysteryserie Black Spot. Auch hier schiebt sich über die Ebene rationaler Ermittlung eine zweite, übersinnliche Ebene, in der Spukgestalten und Tiere, darunter ein Gecko, den Weg weisen. Es gibt mysteriöse Blackouts und Tagträume, aber auch penetrantes Geraune und brennende Fragen – die, entgegen aller kriminalistischen Neugier, nicht weiter verfolgt werden. Zu einer Detektivgeschichte, die ihren Namen verdient, fügt sich das fahrige Hin und Her, bei dem fast jeder unter Verdacht gerät, eher nicht. Scheint es doch in dieser ersten Staffel vor allem darum zu gehen, die auf noch undurchschaubare Weise verquickten Protagonisten zu etablieren – besonders Hauptfigur Ricky, den Maori, der nicht als abergläubischer »brown boy« abgestempelt werden will. Seine Mission besteht vorrangig darin, zu seinen Wurzeln zurückzufinden, will heißen, seine Gabe des Zweiten Gesichts, Matakite, anzuerkennen.

So werden in den sechs Episoden wie als Vorrat für kommende Staffeln eine Menge Fährten ausgelegt, und es wird, auf Kosten von Spannung und Handlungslogik, merkbar Zeit geschunden. Dennoch: Die Handlung entwickelt schon wegen der existenziellen Nöte der verzweigten Farmerfamilie, deren Angehörige zwischen Verscherbelung und Bewahrung des Erbes schwanken, Intensität. Angefangen bei der titelgebenden Brücke, die der eigentliche Hauptdarsteller ist, besticht die Serie insgesamt durch eine Zwielichtigkeit, die man gern weiter erkunden würde.

OV-Trailer

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt