Mediathek: »Mein eigenes Begräbnis«

»Mein eigenes Begräbnis« (Serie, 2020). © arte

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Auf dem letzten Meter

Chemotherapie und Bestrahlungen durchleiden, um jahrelang dahinzusiechen? Oder eine Operation, die eine Überlebenschance von wenigen Prozent bietet? Benedikt, der gleich nach seiner Pensionierung die Hiobsbotschaft eines Gehirntumors bekommt, fällt die Entscheidung leicht. Und nun drängt die Zeit, muss doch bis zur »Deadline« viel erledigt werden. Er, der sich nie eine große Party gönnte, will, einen Tag vor seiner vermutlich todbringenden Operation, eine schöne Trauerfeier ausrichten. Die Verwirklichung seines Vorhabens, bei der er sich etwa zu Testzwecken auf andere Beerdigungen schmuggelt und Bands castet, bringt den verbitterten Mann auf Trab und beschert ihm unerwartete Glücksgefühle.

Es ist erfrischend, dass in dieser Serie der Fokus stets mehr auf die Befindlichkeiten des Griesgrams gerichtet ist als auf eine hollywoodeske Versöhnung mit den Angehörigen. Denn Benedikt verhält sich gegenüber der Exfrau, dem Sohn Björn und deren Partnern meist schroff und verächtlich. Björn wirft seinem Vater vor, dass er ihm zu wenig Liebe gegeben habe – und will, dass er ihm Geld für einen Hauskauf gibt. Das sei ihm sein Vater als Angehöriger einer Generation, die dafür gesorgt habe, dass die Welt den Bach runtergehe, schuldig. Doch Benedikt bleibt auch im Angesicht des Todes ein sturer Knochen. Und man hat den Eindruck, dass der isländische Starkomiker und Entertainer Laddi (Þórhallur Sigurðsson) in seiner Rolle eines Todgeweihten, dessen Leben von Verantwortung, Sparsamkeit und dem Ertragen ätzender Chefs geprägt war, eine Lanze für alte weiße Männer brechen will. Dafür spricht die klischeehafte Zeichnung der Angehörigen als verweichlichte Millennial-Narzissten, obwohl die Details so heruntergedimmt sind wie das fahle Licht des Himmels über Reykjavik. Benedikts Ex ist vielreisende Yogalehrerin, die Schwiegertochter Influencerin, der Sohn beklagt sich, als Krankenpfleger, dass er zu wenig Geld für seine Familie habe. Worauf der knorrige Vater, ein Finanzfachmann, ungnädig erwidert, dass für das jährliche neue iPhone immer genug Geld da sei.

Als Benedikt begreift, dass auch er, so kurz vor seinem Abgang, Kosten-Nutzen-Denken endlich hinter sich lassen darf, und sich dem »Carpe diem« hingibt, ist es auch wieder nicht recht. Als familiäres Bindeglied dient die kleine Enkelin, die leider in ihrer verkitschten Engelhaftigkeit einen merkwürdigen Misston in die von unterkühltem Humor und wunderbaren Pointen geprägte Serie bringt. Unerwartet ist etwa die Rolle, die der Kirche – und einer Pastorin – zugewiesen wird. Und gelegentlich hat man den Eindruck, dass der eigentliche Hauptakteur die isländische Musik ist. Handfeste Dinge werden direkt und unsentimental verbalisiert, Gefühle dagegen stets in lyrische Lieder, seien sie kirchlich oder weltlich, ausgelagert. Sie begleiten, deutsch untertitelt, Benedikt auf seinen letzten Lebensmetern und lassen einen schließlich doch zum Taschentuch greifen.

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