Joyn: »Büro der Legenden«

»Büro der Legenden« (Staffel 1, 2015). © The Oligarchs Productions / Federation Entertainement / Xavier Lahache / Canal +

© The Oligarchs Productions / Federation Entertainement / Xavier Lahache / Canal +

Verrat aus gutem Grund

Guillaume Debailly, alias Malotru, alias Paul Lefebvre, alias Pain-in-the-Ass, genießt einen legendären Ruf im Pariser Büro der DGSE, des französischen Auslandsgeheimdiensts. Sechs Jahre arbeitete er undercover in Syrien, bevor er nach Paris zurückgekehrte. Ausgangspunkt der sich über fünf Staffeln von 2015‒2020 erstreckenden Handlung ist Guillaumes Romanze mit einer syrischen Wissenschaftlerin, die er, zufällig, in Paris wiedertrifft. Doch Zufälle sind in der geheimdienstlichen Arbeit nicht vorgesehen. Der Fluch der guten Tat, Guillaumes Versuch, Nadia El Mansour vor Assads Schergen zu schützen, erweist sich, von einer Verschlimmbesserung zur nächsten, als roter Faden der Serie. Die Odyssee des Doppelagenten führt von Frankreich zurück in den Mittleren Osten und bis nach Moskau.

Unter den vorzüglichen Nebendarstellern rund um Mathieu Kassovitz als graugesichtigem Helden sticht Sara Giraudeau als Seismologin, die als Agentin mit Ziel Iran gedrillt wird, hervor: eine Frau mit der Anmut einer Twiggy, doch unzerbrechlich. Bei Außendienstlerinnen ist, besonders bei Missionen in der arabischen Welt, ihre Anziehungskraft stets mit eingepreist. Erschöpfend werden in den Episoden brandaktuelle Konflikte, von islamistischem Terror, iranischen Atombombenbau bis hin zur Ukraine abgedeckt.

Doch obwohl es durchaus Action an exotischen Schauplätzen gibt, findet das spannendste Geschehen in den Pariser Büros statt. Serienmacher Eric Rochant konzentriert sich auf den psychologischen Kleinkrieg in einer klaustrophobischen Bürolandschaft: dorthin, wo Agenten in Computer starren, angespannte Besprechungen abhalten, am Kantinenessen herumnölen und bei Kaffeepausen über Leben und Tod, Freund und Feind entscheiden.

Die Spionageserie ist in Frankreich so populär, dass sie in Regierungswerbespots für Cybersicherheit parodiert wird. Es verwundert nicht, dass gerade echte Geheimdienstler zu ihren größten Fans zählen. Der Realismus zeigt sich in kleinsten Details wie etwa dem Notizbüchlein, in das Chef JJA (Mathieu Amalric) seine Beobachtungen über die Mitarbeiter kritzelt; das ist sicherer als Computer. Beziehungen, Menschen, werden für die nationale Sicherheit geopfert; die Grundwährung ist das Misstrauen, die einzige Konstante ist der, stets aus besten Gründen verübte, Verrat.

Auch dank ihrer geopolitischen Aktualität sind die Episoden ein permanentes Trainingsprogramm für die grauen Zellen und bieten mit der Vielzahl an Informationen, die eingeordnet werden müssen, ein wenig den Eindruck von 3-D-Schach – und, von einem Zugzwang zum nächsten, der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Am meisten zieht einen vielleicht der Sisyphus-Charakter der Geheimdienstarbeit, ihre existenzialistische Absurdität in Bann, wird doch ein ums andere Mal vorgeführt, dass die Kollateralschäden von Operationen oft schlimmer sind als die dadurch verhütete Katastrophe.

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